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■ NachschlagKleidung für fortgeschrittene soziale Beziehungen in der "Knautschzone"

Es gab etwas umsonst. Voll war es deshalb am Samstag abend im Kleinen Festsaal in den Hackeschen Höfen und – zugegebenermaßen – zunächst eher unbequem. Genau das richtige Ambiente also für Lisa D.'s Absichten. Die Gäste standen dicht gedrängt in dem schlauchartigen Saal, von einer erhöhten Verkehrsinsel aus delegierte eine mit Trillerpfeife bewaffnete Verkehrspolizistin die Gäste kreuz und quer durch die Räume. Wer die Mode-Performances der Grazerin Lisa D. kennt, der weiß, daß ihre Schauen nicht leicht verdaulich sind. Er muß in der Regel eigene Mühen investieren, um die liebevoll ausgearbeiteten Details zu entdecken. Die Modenschau war nämlich nicht als kompakter Catwalk- Marsch geplant, sondern als Fest, auf dem die Frühjahrs- und Sommerkollektion in kleineren Mode- und Kleinkunst-Intermezzi (Gesang, Bauchtanz, Eierwerfen) im Viertelstundentakt präsentiert wurde. Lisa D.'s Mode – eine Kollektion von anschmiegsamen, knöchellangen Kleidern aus einem Viskose-Leinen-Gemisch – war dabei nur ein Punkt unter vielen.

Wichtig für das Gesamtkonzept der Veranstaltung war vor allem der Rahmen: Unter der Mithilfe ihrer ganzen Hackeschen-Hof- Nachbarschaft hatte Lisa D. Wohnzimmer durchstöbert, sich allerhand Kuriositäten zusammengeliehen und in diesem Saal ausgestellt. Wer sich erfolgreich durch die Massen delegieren ließ, der traf zum Beispiel irgendwann auf eine „Spießerecke“, eingerichtet mit Sofa, Fernseher und gerahmter Geflügelzüchter-Urkunde. Besonderes Bonbon in dieser Abteilung: ein DIN-A5-formatiges Heft mit Zuchthinweisen für das spitzmaulige Nashorn. Die „Bayernecke“ war mit einem obligatorischen Kruzifix und Geweihen ausgestattet. Die „Yuppie“-Sektbar verschönerte ein modernes Gemälde im Wert von 20.000 Mark, die „Pennerecke“ war dagegen nur ein schlichtes Matratzenlager. Genauso gemischt wie die Wohnzimmer- Exponate war schließlich auch die Musik. Auf Abba folgte ein Schlager aus der Steiermark. Der Saal wurde somit zur „Knautschzone“ in der die verschiedenen Lebensstile für einen Abend aufeinanderkrachten. Die dazu gehörenden „fortgeschrittenen sozialen Beziehungen“ stellten sich in dem Gedränge von ganz allein ein. Ein Mode-Ereignis, das zeigte, daß auch ohne großen finanziellen Aufwand ein originelles Fest möglich ist! Kirsten Niemann

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