: Klaus Kinkels fröhliches Fronttheater
■ Wahltaktik: FDP läßt die Entscheidung über Rühes geplante Reduzierung der Streitkräfte vertagen / Eine neue Koalitions-Kommission soll Zeit gewinnen
Bonn (taz/AP/dpa) – Die Struktur einer weltweit einsetzbaren und bezahlbaren Bundeswehr bleibt Thema des koalitionsinternen Wahlkampfs. Zwar gibt es zwischen CDU/CSU und FDP Übereinstimmung über „Krisenreaktionskräfte“, differenzierte Wehrpflicht und den Wehretat in Höhe von 47,5 Milliarden Mark – doch symbolischer Streit herrscht weiterhin in Sachen personeller Umfang. So hat Bundesverteidigungsminister Volker Rühe (CDU) gestern von der Koalition doch kein grünes Licht für die Verkleinerung der Armee von 370.000 auf 340.000 Mann erhalten. Mit dieser Reduzierung will Rühe Geld für Rüstungsinvestitionen freimachen. Bundesaußenminister Klaus Kinkel (FDP) beharrt jedoch aus „außenpolitischen Gründen“ weiter auf der maximalen Truppenstärke von 370.000 Mann und möchte an anderer Stelle Geld sparen. Deutschland dürfe in Nato und EU nicht als „unsicherer Kantonist“ gelten.
Wie Hardthöhen-Chef Rühe gestern nach einem Koalitionsgespräch erklärte, solle nun eine „Arbeitsgruppe aus Wehrexperten“ beider Fraktionen weitere Details beraten. Der Zeitrahmen dafür ist völlig offen.
Das Vorgehen hat für beide Koalitionspartner Vorteile: So kann Kinkels FDP sich weiter wahltaktisch gegen die CDU profilieren, wie die Oppositionsparteien SPD, PDS und Grüne unisono anmerken. Und die CDU erspart sich im Wahlkampf zunächst eine Debatte um die Schließung weiterer Bundeswehrstandorte und den Abbau von zivilen Bundeswehrbeschäftigten.
Bestätigt wurde laut Rühe die Umstrukturierung der Bundeswehr in allzeit bereite „Krisenreaktionskräfte“ und in Streitkräfte zur „Landes- und Bündnisverteidigung“. Letztere sollen erst im Spannungsfall mittels „abgestufter Mobilmachung“ ihre Einsatzstärke erreichen. Die „Krisenreaktionskräfte“ (50.000 bis 60.000 Mann) würden nur aus Freiwilligen bestehen, die Wehrpflicht soll dort zwölf Monate betragen. In den Hauptverteidigungskräften hingegen wird die Wehrpflicht auf zehn Monate reduziert. Den Segen der Soldatengewerkschaft Bundeswehr-Verband dafür hat Rühe bereits.
Ob die Bundeswehr künftig über 370.000 oder 340.000 Soldaten verfügt, spielt nach Expertenmeinung weder für Sicherheit noch „Bündnisfähigkeit“ eine große Rolle. Die „Symbolkraft der Zahlen“ werde überinterpretiert. Und während die Diskussion läuft, sprechen die Fakten für sich: Wegen kurzfristiger Sparzwänge werden zum Jahresende wahrscheinlich ohnehin nur noch 345.000 Soldaten in den Kasernen sein. kotte
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