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Archiv-Artikel

Klatten und Kletten

Her mit der Ziegenmilch! George Saunders’ harmonisch-düsteres Kinderbuch „Die furchtbar hartnäckigen Gapper von Frip“

Was ist zu erwarten, wenn ein Schriftsteller, der bisher nur wegen seiner apokalyptischen Zukunftserzählungen bekannt war, sein erstes Kinderbuch vorlegt? Muss man jetzt Angst um das geistige Gedeihen des Nachwuchses haben?

Keineswegs. George Saunders’ erstes Kinderbuch „Die furchtbar hartnäckigen Gapper von Frip“ erzählt eine Geschichte, die zwar düster, schließlich aber doch harmonisch ist. Es ist jene des Mädchens Serena, die zusammen mit ihrem Vater in dem aus drei Häusern bestehenden Dorf Frip lebt. Die drei Familien aus diesen Häusern leben von dem, was ihre Ziegen abwerfen. Davon ließe sich der Alltag ganz gut bestreiten, wären da nicht die Gapper. Gapper, das sind tennisballgroße Wesen, die sich jeden Tag aufs Neue an die Ziegen von Frip heften und sie somit davon abhalten, Milch zu geben. Also müssen die Kinder der Familien ebenso regelmäßig alle Gapper einsammeln und über die Klippe ins Meer werfen. Von dort aus wuseln sie am nächsten Morgen wieder zu den Ziegenkoppeln, die Kinder entsorgen sie wieder und so fort. Irgendwann werden die Gapper faul und entscheiden sich, nur noch Serenas Ziegen zu befallen, weil ihre Ziegenkoppel dem Meer am nächsten liegt.

Nun kommt Serena vor lauter Gapperklauberei kaum noch zur Ruhe, während die Kinder der anderen Familien reichlich Zeit haben. Ihre Bitten um Hilfe verhallen ungehört, und so muss sie zum Entsetzen ihres mehr als nur konservativen Vaters zu drastischen Maßnahmen greifen, um die Situation wieder unter Kontrolle zu bringen.

Alles ändert sich, wenn du nur die Initiative ergreifst und dich nicht auf andere verlässt – das ist die Botschaft, die Saunders in eine Parabel gepackt hat, deren Thema die Überwindung von Egoismus, Neid und Missgunst ist. Nur selten wurden diese menschlichen Eigenschaften so drastisch in einem Kinderbuch präsentiert, und man fragt sich schnell, ob Kinder so viel Düste- res verkraften, zumal auch noch die fantastischen Illustrationen von Lane Smith alles andere als lieblich ausfallen.

Saunders’ unverwechselbarer, lakonisch-harter Stil aus den Erzählungsbänden „Pastoralien und Bountyland“ findet sich auch in „Die furchtbar hartnäckigen Gapper von Frip“. Er korrespondiert aufs Beste mit Smith’ teils surrealistisch wirkenden Zeichnungen.

Häufig weiß man beim Weiterblättern nicht, ob man zuerst sehen oder zuerst lesen will. Diese Konkurrenz zwischen Bildsprache und Erzählung erzeugt eine zusätzliche Spannung, die das Werk auch für Erwachsene interessant macht. Es bleibt trotzdem ein Kinderbuch und deswegen wird am Ende auch alles gut. Man kann aufatmen. Saunders’ übliches Grauen ohne Hoffnung bleibt weiterhin jenen vorbehalten, die nicht mehr Kind sein dürfen.

MAIK SÖHLER

George Saunders: „Die furchtbar hartnäckigen Gapper von Frip“. Illustriert von Lane Smith. Aus dem Amerikanischen von Frank Heibert. Bloomsbury, Berlin 2004. 92 Seiten, 12,90 €