Klatsche gegen Bayern: Sie lassen ihn ziehen, sie lassen ihn schießen ...
Werder Bremen schaut Bayern München ehrfürchtig beim Fußballspielen zu und ist mit dem 0:7, der höchsten Heimniederlage seiner Bundesliga-Geschichte, noch gut bedient.
BREMEN taz | Die Stadionregie konnte es auch diesmal nicht lassen: Kurz vor dem Einlaufen der Mannschaften erklang die Vereinshymne mit Teilen des Radiokommentars vom 3:1- Sieg bei Bayern München, der 2004 die Meisterschaft vorzeitig entschied. „Es geht ja alles“, heißt es da unter anderem. So einfallslos es ohnehin ist, ständig alte Erfolge zu beschwören, so wird es seit dem 0:7-Debakel am Samstag endgültig peinlich, diesen alten Hut auch nur noch ein einziges Mal aus dem Schrank zu holen.
Eine Zeile des Werder-Liedes beschreibt die Aktualität allerdings so genau wie selten zuvor. „Und sie lassen ihn ziehen, sie lassen ihn schießen“ traf am Samstag fast auf alle Offensivkräfte der Bayern zu, ob sie nun „Toni Kroos“, „Thomas Müller“ oder „Mario Götze“ hießen, besonders aber auf den alle anderen noch einmal überragenden Franck Ribéry, der seine Gegenspieler im Minutentakt ins Leere laufen und stehen ließ.
Werders Rechtsverteidiger Clemens Fritz, der am Samstag 33 Jahre alt wurde, ist in seiner langen Karriere wahrscheinlich noch nie so schwindelig gespielt worden. „Für uns alle war es das frustrierendste Spiel, vor allem für die, die schon länger für Werder spielen“, sagt der Kapitän hinterher.
Zum Glück ist Bayern-Trainer Pep Guardiola ein höflicher Mann. Als er nach dem Spiel zum Unterschied zwischen der Werder-Mannschaft aus Champions-League-Zeiten und der heutigen gefragt wird, tut er erst so, als würde er die Frage nicht verstehen. Als die Presserunde nicht locker lässt, weicht er dahingehend aus, dass man beides ja gar nicht vergleichen könnte.
Zur gleichen Zeit ist sein Spieler Toni Kroos weniger diplomatisch bei der Charakterisierung der aktuellen Werder-Mannschaft. „Bis wir zwei, drei null geführt haben, mussten wir etwas investieren,“ sagt er. Den Bayern reicht aktuell also eine halbe Stunde Kraftanstrengung, um Werder die höchste Heimniederlage der Bundesliga-Geschichte beizubringen.
Die einzige Möglichkeit, das Ergebnis in erträglichen Grenzen zu halten, wäre für die limitierten Bremer wohl gewesen, den Bayern schon zu Beginn das Skat-Angebot: „Schenken für Schneider“ zu unterbreiten, was im Fußball so viel bedeutet wie: „Sind mit 0:3 zufrieden“. Aber Werder-Trainer Robin Dutt entschied sich mutig für eine relativ offensive Aufstellung, in der Franco Di Santo zweite Spitze neben Nils Petersen spielte.
Die Hoffnung, mit einem Sahne-Tag die Bayern zu überraschen, währte ganze zwanzig Minuten. Solange hielten die Bremer den Triple-Gewinner einigermaßen vom Tor entfernt und hatten in der 18. Minute durch Aaron Hunt sogar selbst die erste Torchance des Spiels. Im Anschluss passierte das, was sich nach der Pause wiederholen sollte: Sobald Werder ein wenig frech wurde, schlugen die Bayern erbarmungslos zurück. Nach Belieben legten sie sich die Bremer-Abwehr zurecht, ein öffnendes Dribbling, ein kluger Pass in die Schnittstellen, ein scharfer Pass nach innen und schon war der Ball wieder im Tor – vorbei am ohnmächtigen Torwart Rafael Wolf, der erneut den Vorzug vor Sebastian Mielitz erhielt.
Fast alle Treffer fielen aus kürzester Entfernung. Nur einmal, beim 0:2 durch einen Kopfball von Daniel van Buyten, benötigten die Bayern eine Standardsituation zur Vollendung. Ansonsten Kombinationsfußball der Extraklasse, der selbst Pep Guardiola beeindruckte. Der Bayern Coach gratulierte seiner Mannschaft zum „ersten Spiel, in dem wir ein gutes Positionsspiel gemacht haben“.
Diese Aussage sollte die Bremer Verantwortlichen davor bewahren, sich damit zu trösten, dass die Bayern im Moment eben in einer anderen Liga spielen. Sie konnten ihr Positionsspiel nur deshalb so ungestört durchziehen, weil fast alle Bremer Spieler eklatante Mängel im Zweikampf aufwiesen. Wenn 1:1-Situationen reihenweise verloren gehen, dann liegt das nicht nur an der herausragenden Klasse des Gegners oder an einer noch nicht eingespielten Balance zwischen Abwehr und Angriff. Dann besteht da ein erheblicher Nachholbedarf.
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