: Klarheit mit geschlossenen Augen?
■ betr.: "Aus für Ausländerwahlrecht - Karlsruhe: Wahlvolk ist deutsch", taz vom 1.11.90
betr.: „Aus für Ausländerwahlrecht — Karlsruhe: Wahlvolk ist deutsch“, taz vom 1.11.90
Die Art und Weise, wie das BVG dem kommunalen Ausländerwahlrecht eine deutliche Absage erteilt hat, wird in der taz so hingestellt, daß sie „Mit unerwartet großer Klarheit erfolgte“. Ja, was hat man denn erwartet? Hat man denn wirklich gedacht, daß die BVG-Richter ein getrübtes Urteil fällen angesichts der zunehmenden Rechtlosigkeit der Ausländer in der BRD?
[...] Wenn das BVG über die Verfassungskonformität zu urteilen hat, dann bin ich keineswegs überrascht, daß nur Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit wählen sollen. Mich überrascht und besorgt vielmehr, daß die taz eine Position abdruckt, nach der sich das Selbstverständnis des deutschen Volkes angeblich auf Blutsbande gründet, „die Reinheit seines demokratischen Geblütes“. Den Erwerb der Staatsangehörigkeit sieht doch das BVG ausdrücklich vor und spricht sich hier sogar für Erleichterungen aus.
Wer die aktuelle Positionsbestimmung verkennt, wird Schwierigkeiten haben, den Weg in die Zukunft klar und deutlich zu erkennen und beim Fortschritt die notwendig richtige Reihenfolge der Schritte kaum beachten. Eine doppelte (oder einfache?) Staatsangehörigkeit halte ich auch nur für eine Übergangslösung. Vielmehr müßte die Notwendigkeit der Einbürgerung gänzlich aufgehoben werden, weil das Denken in Staaten die Möglichkeit der Feindseligkeit der betroffenen Völker mit einschließt, was die Bedingung für Krieg ist. Nur in einem freien Weltbürgertum ist diese Möglichkeit ausgeschlossen, aber dafür müßte man endlich anfangen, an einer für die ganze Menschheit verbindlichen Verfassung zu arbeiten. Klaus Heidrich, Forstwissenschaftler, Göttingen
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