: KlangWeltFestival
■ Vom Himmel hoch
Trübe Aussicht auf der Erde: Twilight Network
Abhauen, weg, hier geht eh alles den Bach runter; dem Jammertal Erde einfach den Rücken kehren und sich sanft einblenden in die Energieströme des Kosmos! Man gehört ohnehin nicht mehr dazu und ist sowieso säuselsäusel zu Höherem berufen! Der Griff nach interplanetaren, was sag ich, intergalaktischen Sinnuniversen erfolgt schließlich nicht aus der kalten, sondern aus tiefster Erkenntnis, aus der der Ozeanbrannnndunnng.
Derlei Fluchtgedanken lassen sich in einem Planetarium natürlich erstklassig realisieren, hier gehören die Glitzerviecher und Sterntaler praktisch zum Inventar. Hier soll sich auch das »Tor zum Weltraum« befinden, durch das man ziehen soll, um sich in die Spiralnebel einzukuscheln, an der Milchstraße sternhagelbesoffen zu werden, und völlig abgeklärt Meteoriteneinschläge auf der Haut zu verspüren. Alles per Klanganweisung, versteht sich — musikgesteuert. Hirnspülung aus dem Untergrund.
Für ein zweites Festival der Interessengemeinschaft Elektronische Musik (IGEM) ist das Zeiss-Großplanetarium ein paradisisches Ambiente — zschschschsch. Hier regiert für 10 Stunden huiijjj der Wassermann, dessen angebrochenes Zeitalter uns so friedfertig macht. Recht age-lastig bohren sich denn auch »Mind Over Matter« in die entsprechenden Hirnrinden (tröpfeltröpfel) nicht gerade new, aber unheimlich entspannend. Vorher geht es mit drei Vertretern der zweiten Generation (nach Tangerine Dream, Neu, Ashra, etc.) »rockig-spacig- sternig« zu deehhjoonng deehhjooong. Außer Patrick Kosmos (nicht aus'm All, aber aus Belgien) kommen die Sternendeuter allesamt aus Deutschland und der in den Biografien auftauchende Universalcode »TD«, das elektronische Maß der Dinge, gilt nach wie vor als Befähigungsnachweis knispelknispel.
Nicht minder spannend dürften eine Live- Gesprächsrunde (nicht per Midi angesteuert!) und eine Raritätenversteigerung zwischen den Konzerten werden, wird doch damit den schüchternen Neuankömmlingen Gelegenheit geboten, sich anzuheimeln im outta space — der Spielwiese für glücksstrotzende Harmonien und langanhaltende Lebenszuversicht. Wo bekommt man so etwas heutzutage noch geboten? Micha Möller
Lambert Ringlage, Patrick Kosmos, Twilight Network und Mind Over Matter spielen ab 14 Uhr bis 23 Uhr im Zeiss-Großplanetarium (am S-Bahnhof Prenzlauer Allee).
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