Klage wegen Trans-OP: Vagina vor Gericht
Eine Frau darf sich von denen behandeln lassen, die es am besten können, sagt das Sozialgericht. Denn die Krankenkasse wollte nicht zahlen.
D as rechtliche Geschlecht. Was für ein Begriff! Ein Paragraphenorgan, eine Verwaltungsidentität, ein Irrsinn! Aber genau darüber hat das Berliner Sozialgericht im September entschieden. Genauer gesagt, darüber, ob „der Versorgungsauftrag eines Krankenhauses bei der Behandlung von weiblichen Geschlechtsorganen nach dem rechtlichen Geschlecht oder nach dem biologischen Ursprung der Patientin zu bestimmen ist.“ Am Dienstag wurde das Urteil veröffentlicht.
Hintergrund war der Fall einer transsexuellen Berlinerin, bei der eine Korrektur der Neovagina (noch so ein Fachwort!) notwendig wurde. Ein Team aus Gynäkologen und Urologen führte die entsprechende Operation durch. Die öffentlich-rechtliche Krankenkasse verweigerte daraufhin die Zahlung, weil das Fachgebiet, das der Frauenheilkunde nämlich, an dem beklagten Krankenhaus gar nicht vertreten sei. Kurzum: Wie könne die Patientin es wagen, sich als Frau von Urologen behandeln zu lassen, wenn es doch um ihre Vagina ging?
Unfassbar! Denn die Operation war ja nun geglückt. Es mangelte also offensichtlich nicht an Kompetenz. Warum also Kompetenzen anzweifeln? Nun es handelt sich hier nicht, um die faktische Kompetenz, sondern um die rechtliche.
Bezüglich der Kompetenz ist das Korintenkackerei, die nichts anderes seien kann als ein Vorwand für Böswilligkeit. So oder so ähnlich entschied dann auch das Sozialgericht, als es befand, dass es um die fachliche Kompetenz ginge und in dieser Hinsicht insbesondere die Gefäß- und Nervenbahnen der biologisch männlichen Genitalien eine Rolle spielten. Deshalb habe das Krankenhaus alles Recht, die Patientin zu behandeln und dafür auch bezahlt zu werden.
Überflüssige Kategorie
Traurig ist bei diesem Fall vor allem, wie das Geschlecht eines Menschen auf den Amboss der Verwaltung verfrachtet wird. Die Würde des Menschen besteht auch aus seiner Zweideutigkeit. Ein Leben haben wir Zeit, um unsere Widersprüche zu entdecken, zu bewundern und zu genießen. Nichts ist dafür unangemessener als die Sprache des Rechts.
Dieser Ansicht war die Krankenkasse offenbar nicht, denn sie hat Berufung eingelegt und die Frage `rechtliches Geschlecht vs. biologischer Ursprung´ muss vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg noch einmal verhandelt werden. Um so etwas zu verhindern, könnte man das rechtliche Geschlecht auch einfach weglassen: Was für eine überflüssige Kategorie, geboren aus kafkaeskem Verwaltungswahn. Das eigene Geschlecht geht die Öffentlichkeit nichts an!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“