Kinobesuch mit meiner kleinen Tochter: Die Popcorn-Lektion
Polternde Jugendliche waren drauf und dran, den Kinobesuch mit meiner Tochter Hatice zu versauen. Doch sie hatten die Rechnung ohne Hatice gemacht.
I ch muss leider mit meiner kleinen Tochter Hatice ins Kino!
Ich habe keine Ahnung, welche Wette ich gegen diesen Frechdachs verloren habe, oder ob meine Frau Eminanim mich dazu verdonnert hat, auf jeden Fall behauptet Hatice, ich hätte ihr vor „langer“ Zeit versprochen, heute mit ihr ins Kino zu gehen.
„Papa, Papa, steh endlich auf, wir müssen doch gleich los“, ruft sie und hüpft vor Freude im Wohnzimmer herum.
„Hatice, dort darfst du aber nicht so rumbrüllen. Du musst im Kino ganz ruhig sein und niemanden stören, hörst du? Nicht umsonst heißt Kino mit richtigem Namen Lichtspieltheater! Dort musst du mucksmäuschenstill sein!“
„Papa, wenn ich im Kino nicht mal Popcorn essen darf, dann bleibe ich lieber zu Hause und ziehe mir eine DVD rein.“
„Doch, doch, Popcorn essen darfst du natürlich – aber wie gesagt, nicht so laut!“
Dann betreten wir mit der größten Popcorntüte bewaffnet, die es hier zu kaufen gibt, den Saal und setzen uns ziemlich weit vorne hin, wo noch schön viel frei ist.
Aber kurz bevor der Film anfängt, kommen ein paar Vollidioten – Entschuldigung: mehrere Jugendliche – laut polternd in den Saal, vollbepackt mit Bier und Popcorn und pflanzen sich direkt in die Reihe vor uns.
Ich bin sicher, dass sie mit diesem Gegröle sogar die Besucher im Kinosaal nebenan stören. Und der Kopf dieser Sechserbande sitzt direkt vor meiner Tochter, die mich völlig verwirrt anschaut.
„Du sagtest, im Kino muss man ruhig sein“, flüstert sie vorwurfsvoll.
Dann fängt der Hauptfilm an und läuft noch nicht mal fünf Minuten, da erstarren die Zuschauer auf einmal. Hatice hat ihre riesengroße Popcorntüte diesem Typen vor ihr dermaßen kraftvoll auf den Hinterkopf geklatscht, dass der ganze Inhalt jetzt verstreut auf dem Boden liegt.
Am meisten ist natürlich der Mini-Rambo selbst erschrocken. Der springt mit funkelnden Augen wütend auf, streift seine T-Shirt-Ärmel bis zu den dicken Bizeps hoch und sucht im Dunklen nach demjenigen, dem er gleich den Hals umdrehen wird.
Als er aber die kleine Hatice sieht, weiß er nicht, wie er aus dieser peinlichen Situation wieder herauskommen soll.
Kein Mensch mehr im Kino schaut sich den Film an – ich meine, nicht den auf der Leinwand.
In dem Moment ruft Hatice seelenruhig: „Haben dir deine Eltern denn nicht beigebracht, dass man im Kino nicht laut reden und schmatzen darf, junger Mann?“
Der bis auf die Knochen Blamierte zischt mit hochrotem Kopf: „Ähh??? Was willst du von mir, du Zwerg??
„Doch, es ist aber so, hier darf man nicht laut sein, nicht wahr, Papa?“, ruft Hatice und reicht mir ihre leere Tüte rüber, damit sie ihr überall zerstreutes Popcorn aufsammeln kann. Ich bin froh, dass sie mir die Tüte nicht direkt nach der Tat auf den Schoß gelegt hat! Im Gegensatz zu Hatice wäre ich vermutlich nicht mit dem Leben davongekommen.
Nach zwei Minuten steht der Junge wie ein geprügelter Hund auf und verlässt mit seiner Bande den Saal.
„Toll, jetzt kann ich auch besser sehen, Papa“, freut sich meine Tochter leise.
Ich werde jetzt nur noch mit Hatice ins Kino gehen – solange sie noch klein ist!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!