piwik no script img

Kiez-Cops: Revolverhelden oder Rollmops?

■ „Operative Polizeigruppe SO 36“ will jetzt in Kreuzberg für Ordnung sorgen / Falschparker und Beschaffungskriminelle im Visier / Junkies am Kotti haben Angst

Kaum ein Kreuzberger hat sie bisher gesehen, aber ihr Name erweckt vielfältige Assoziationen: „Kiez-Cops, das klingt, als kommen die aus der alternativen Ecke, so wie die Kiez-Miliz.“ Anderen fallen sofort die Revolverhelden von Miami Vice ein, und dritte denken bei Kiez-Cops automatisch an Rollmops.

Kiez-Cops heißt eine neu eingerichtete Arbeitsgruppe der Polizei, die Anfang der Woche in Kreuzberg ihre Tätigkeit aufgenommen hat. Offiziell nennt sich die aus elf Beamten – zur Hälfte Schutzpolizei und Kripo – bestehende Truppe „Operative Gruppe SO 36“ (OG SO 36). Doch seit Innensenator Heckelmann (CDU) vor zwei Tagen von einem „ersten Einsatzerfolg der Kiez-Cops“ sprach, haben sie ihren Namen weg. Bei der Polizeiaktion „gegen Verdächtige“ wurden laut Heckelmann mehr als 120 Personen überprüft, darunter „Rauschgiftdealer und -kosumenten. Drei Verdächtige seien festgenommen worden. Vier Straf- und 93 Ordnungswidrigkeitenanzeigen wurden gefertigt. Insgesamt waren bei dem von den Kiez-Cops koordinierten Einsatz 140 Beamte unterwegs.

Der stellvertretende Leiter der für Kreuzberg zuständigen Polizeidirektion, Werner Heine, spricht lieber von der „Arbeitsgruppe SO 36“. Deren Hauptaufgabe sieht er darin, die Beschaffungskriminalität einzudämmen und etwas Ordnung zu schaffen: Die Zustände in den verkehrsberuhigten Zonen in SO 36 seien ziemlich „chaotisch“, was vor allem an den vielen Falschparkern liege. Auch „ein bißchen Stadthygiene“ würden die Beamten treiben: kein augenzwinkerndes Abwinken mehr, wenn Hunde neben ihrem Herrchen einfach aufs Trottoir kacken. Aber „Posten aufstellen“ will Heine auch wieder nicht. Mit den Ermittlungen gegen die stalinistische Bezirksguerilla „Klasse gegen Klasse“ hätten die Kiez-Cops jedoch nichts zu tun.

Viele Kreuzberger erfuhren erst durch die gestrige taz-Umfrage von der Existenz der Kiez-Cops. Die Reaktionen waren sehr unterschiedlich. „Klasse, das wurde auch Zeit, die Junkies werden immer dreister“, drückte es ein Ladeninhaber in der Oranienstraße am deutlichsten aus. Eine Verkäuferin in der Dresdner Straße: „Wenn sie die Falschparker und Raser aufschreiben, ist es okay. Aber die Junkies zu vertreiben ist völliger Schwachsinn, damit werden die Probleme nur verlagert, statt etwas an den Ursachen zu ändern.“ Und „zum Kotzen, die Bullen haben hier nichts zu suchen“, schimpfte ein türkischer Jugendlicher in der Adalbertstraße.

„Sind die noch härter drauf als die anderen Bullen?“ fragten die Junkies am Kottbusser Tor (Kotti) besorgt. Sie berichteten, daß sie in der letzten Zeit häufig von Polizisten in die Wanne geladen und im Treptower Park oder in Lichtenberg ausgesetzt worden seien. „Ohne Geld kannste dann sehen, wie de wieder nach Hause kommst“ – „Und das alles, weil wir den Platzverweis der Bullen nicht befolgt haben. Aber wo sollen wir uns denn sonst treffen?“ Plutonia Plarre

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen