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Kiep-Urteil: Ein Justizskandal

CDU-Schatzmeister Leisler Kiep zu einer Geldstrafe von 675.000 DM verurteilt/ 17,5 Millionen Mark Spenden illegal über die Schweiz an die CDU verschoben/ Leisler Kiep kündigte Revision an  ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs

Für das Delikt sieht das Gesetz einen Strafrahmen bis zu drei Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe vor. Soviel kann fortgesetzte Beihilfe zur Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall normalsterblichen Steuersündern kosten.

Der Steuerschaden, der am Mittwoch die 3. Strafkammer des Landgerichtes in Düsseldorf beschäftigte, war ein schwerer Fall, wurde vom Gerichtsvorsitzenden Manfred Obermann sogar als „außergewöhnlich groß“ bezeichnet. So groß, daß „die Ahndung mit einer Freiheitsstrafe“, so Obermann, normal gewesen wäre.

Doch was ist normal, wenn der Hauptangeklagte der CDU-Schatzmeisterei vorsteht und Walther Leisler Kiep heißt? Richter Obermann jedenfalls sah in diesem speziellen Fall „ein Übergewicht von Milderungsgründen“ und beließ es bei einer Geldstrafe von 675.000 Mark für den smarten CDU-Mann, der 1988 gegenüber dem Finanzamt ein zu versteuerndes Einkommen von 2,1 Millionen Mark angegeben hatte. Kieps Generalbevollmächtigter Uwe Lüthje kam sogar noch billiger davon. Das Verfahren gegen ihn wurde eingestellt — wegen Verjährung. Leisler Kiep, der 1971 die Schatzmeisterei übernahm und bis heute leitet, hat nach Auffassung des Gerichtes in den Jahren von 1971 bis 1978 über die „Staatsbürgerliche Vereinigung“ (SV), der größten Spendenwaschanstalt der Republik, 17,5 Millionen Mark illegal für die CDU akquiriert. Dabei wurden von den Spendern, dazu zählte die gesamte Crème der deutschen Industrie, 7,5 Millionen Mark Steuern hinterzogen. Die SV war in den 50er Jahren auf Initiative des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) allein zur Finanzierung der bürgerlichen Parteien CDU/CSU und FDP gegründet worden.

Ein gigantischer Steuerbetrug

Offiziell diente die SV der Förderung staatsbürgerlicher Zwecke. Spenden für solch hehre Ziele waren steuerlich abzugsfähig, Spenden an Parteien dagegen nicht. Ein entsprechendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. 6. 1958 schrieb dieses Verbot der Abzugsfähigkeit für Zuwendungen an Parteien glasklar fest. In den Steuergesetzen wurde der Karlsruher Richterspruch schon 1959 umgesetzt. Im selben Jahr änderte die SV ihre Satzung, die nun eine unmittelbare oder mittelbare Unterstützung politischer Parteien ausschloß. Ein entsprechender Hinweis fand sich auch auf den Spendenquittungen, die die Spender bei ihren jeweiligen Finanzämtern einreichten. Auf diese Weise bekamen die Spender gut die Hälfte ihrer Geldspende vom Fiskus zurück. Tatsächlich — und das war allen Beteiligten außer den Veranlagungsbeamten in den Finanzämtern bekannt — flossen 90 Prozent der Spenden an die SV über Schweizer und Liechtensteiner Scheingesellschaften direkt den bürgerlichen Parteien zu. Allein zwischen 1969 und 1980 wurden über die SV 214 Millionen Mark in die Parteikassen von CDU, CSU und FDP verschoben. Ein gigantischer Steuerbetrug, der bis zum heutigen Tag für keinen der Beteiligten im Knast endete.

Einstellung wegen Verjährung hat Tradition

Dieser Tradition blieb auch das Düsseldorfer Gericht im letzten großen Parteispendenverfahren treu. Am dollsten trieben es die hessischen staatsanwaltschaftlichen Ermittler, die das Verfahren gegen die Deutsche Bank, die insgesamt über 25 Millionen Mark auf dem illegalen Weg den Parteien zufließen ließ, so lange hinauszögerten, bis die Verjährungsfrist die Banker vor der Anklagebank bewahrte.

Mit Blick auf diese den Rechtsstaat verhöhnenden Praktiken mag Leisler Kieps Revisionsankündigung eine gewisse Logik und Konsequenz zukommen. Er will einen Freispruch. Kiep beschwerte sich noch im Gerichtssaal darüber, daß „die Tatsache, daß ich die indirekte Parteienfinanzierung für meine Partei beendet habe“, nicht ausreichend gewürdigt worden sei. Sein Anwalt, Prof. Günter Kohlmann, bestritt erneut die aktive Akquisition durch Kiep, weil die SV doch lange vor dessen Einzug in die Schatzmeisterei funktioniert habe. Ein Scheingefecht, denn die Beweisaufnahme hat für Kieps aktive Rolle beim Spendendeal eine Vielzahl von Belegen erbracht.

Auch die Feststellungen des Düsseldorfer Gerichts, wonach beide Angeklagte sich „bewußt waren“, daß die Spendenquittungen objektiv unzutreffende Angaben machten und der Verschleierung gegenüber dem Finanzamt dienten, sind durch Verlesen von einer stattlichen Anzahl von Dokumenten im Gerichtssaal eindeutig bewiesen worden. Kiep selbst hat viele der Dankschreiben an die Spender, die in den jeweiligen Wahljahren besonders viele Millionen rausrückten, persönlich unterzeichnet.

Daß Kiep nicht der Erfinder der auch von ihm so genannten „indirekten Parteienfinanzierung“ war und nicht persönlich von dem Steuerbetrug profitierte, wertete das Gericht ohnehin strafmildernd. Sein bis dahin „tadelsfreier Lebensweg“ und die Umstände des langen Ermittlungsverfahrens, das ihn „persönlich schwer belastet habe“, führte das Gericht ebenfalls an und kam so zu dem schon zitierten „Übergewicht an Milderungsgründen“. Die Länge des Verfahrens haben die Angeklagten sich nach Auffassung der beiden Bonner Staatsanwälte, Helmut Dropmann und Andreas Schütz, zumindest teilweise selbst zuzurechnen. Weil sie jegliche Aussage und jede Beteiligung an der Aufklärung verweigert hätten, seien Hunderte von zusätzlichen Durchsuchungen notwendig geworden. Die Totalblockade als Strategie hatte Uwe Lüthje in einem Durchhalteappell an die Spender schon im Februar 1984 proklamiert. „Der Weg durch die Steuerinstanzen muß mit sturer Beharrlichkeit gegangen werden. Im Langzeitverfahren gewinnen Argumente allein schon durch Wiederholung an Gewicht... Die Geschlossenheit der Abwehr ist ein eigentliches Argument, auf das derjenige verzichtet, der ein Teilgeständnis ablegt.“

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