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Kickender Wassermann

■ Jürgen Rollmann, Torwart des MSV Duisburg, porträtiert seinen werktätigen Mannschaftskollegen Joachim Hopp

Duisburg (taz) – Das Klischee, viel zu viel Geld zu verdienen, nicht besonders intelligent zu sein, sämtliche Interview-Fragen mit einem „Ja gut“ beginnend zu beantworten, begleitet den Berufsstand Fußball-Profi, ohne Frage. Einige Spieler entsprechen durchaus dieser Beschreibung, vielen wird jedoch Unrecht getan. Ein besonderes Exponat dieser Verunglimpften ist Joachim Hopp, 27 Jahre alt, seines Zeichens Vertragsspieler bei Erstliga-Aufsteiger MSV Duisburg.

Obwohl er bislang an vielen Siegen des Meidericher Spielvereins maßgeblich beteiligt war, ist für den Abwehrspieler der Fußball nicht alles, sondern immer noch lediglich die schönste Nebensache der Welt. Im Hauptberuf arbeitet Hopp nämlich als Kühlwassertechniker bei Thyssen am Hochofen. Jeden Tag Frühschicht von sechs bis vierzehn Uhr. Danach Training. Wird vormittags trainiert, bricht Joachim Hopp schon mal früher die Schicht ab – unbezahlt, versteht sich. Diese Abbruchmöglichkeit ist der einzige Luxus, den Thyssen dem Fußballer zugesteht. Für Trainingslager muß er Urlaub einreichen, der auch in den letzten Jahren nahezu vollständig für den MSV aufgebraucht worden ist.

Warum mutet sich Joachim Hopp diesen Streß zu, warum zieht er nicht den bequemeren Tagesablauf vieler Lizenzspieler vor? „Ich bin Arbeiter“, erklärt Hopp, „und über zehn Jahre bei Thyssen, mir steht schon eine Betriebsrente zu. Mit fast 28 Jahren habe ich sportlich nicht unbedingt die Riesenperspektive, keiner kann mir etwas garantieren, warum soll ich da meinen sicheren Beruf aufs Spiel setzen?“

MSV-Trainer Ewald Lienen stört die Ablenkung seines Spielers nicht, immerhin war er es, der vor vier Jahren, damals noch Amateurtrainer in Duisburg, Joachim Hopp für den Profi-Fußball entdeckte und für höhere Aufgaben empfahl. Seither pendelt Vertragsamateur Hopp zwischen Amateur- und Profi-Mannschaft, erzielte 1992 gegen Nürnbergs Nationaltorwart Andreas Köpke seinen bislang einzigen Treffer und hat sich stetig weiterentwickelt. Immerhin kickte er 1988 noch für seinen Heimatverein VFVB (Verein für volkstümliche Bewegungsspiele) Ruhrort Laar in der Kreisliga A.

Im Sport eher ein sogenannter Wasserträger für die etablierten Spieler der Mannschaft, ist Hopp bei Thyssen der Wassermann, wie man die Kühlwassertechniker auch umgangssprachlich bezeichnet. „Wir Wassermänner haben die Aufgabe, darauf zu achten, daß der Hochofen keine roten Backen bekommt, also überhitzt“, erzählt Joachim, „daß keine Undichtigkeiten entstehen, außerdem fallen Reinigungs- und Wartungsarbeiten an.“

Bis zu 5.500 Tonnen Roheisen täglich produziert ein solcher Hochofen, den Joachim Hopp mit seiner Kolonne überwacht. Wohl selten zuvor war in der Bundesliga das Prädikat „Eisenhart“ für einen Abwehrspieler so zutreffend, wie für Joachim Hopp, den Fußball- Exoten aus Duisburg.

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