: Khomeini: ein Schuß und viele Ziele
■ Die Zerschlagung der „Welt–Befreiungs–Bewegung–Organisation“ eröffnet dem islamischen Regime Handlungsräume für neue Beziehungen zum Westen
Aus Teheran Robert Sylvester Die spektakulären Waffenverkäufe der USA an das Regime des Ayatollah Khomeini erweisen sich immer deutlicher als ein Versuch der Reagan–Administration, den Iran nicht mehr außerhalb einer gegenwärtig revidierten amerikanischen Nah–Ost–Politik zu lassen. Das strategische Interesse Washingtons in dieser Region bricht offenbar auch das politische Dogma Reagans von der Dialogunfähigkeit des fundamentalistischen Regimes in Teheran. Analog zu den zwei Linien us–amerikanische Iran–Politik, die eine für, die andere gegen Beziehungen zum „obersten Staatsterroristen“, ist auch im Iran selbst nicht zuletzt in der Frage von möglichen Beziehungen zum „obersten Satan“ ein Machtkampf ausgebrochen, der seine Aktualität dem bald möglichen Tod des Revolutionsführers Khomeini verdankt.
Angesichts einer wachsenden inneren Opposition, internationaler Isolierung und immer noch ohne einen direkten militärischen Triumph über den Irak im sechs Jahre währenden Golfkrieg, sieht sich das islamische Regime in Teheran genötigt, die strategische Parole der Revolution, nämlich der „Export der Revolution“, aus der Charta der Revolution zu streichen. Eben dafür braucht man als Zeichen für die Wende eine symbolische Aktion. Erstaunlicherweise traf diese buchstäblich den nächsten Besten, nämlich den designierten Nachfolger Khomeinis, Ayatollah Hossein Ali Montazeri. Zwar war er persönlich nicht das Ziel, aber seine Zeit wird noch kommen. Ziel des Schlags war die „Welt–Befreiungs–Bewegungs– Organisation“ (WBBO), die unter Montazeris Aufsicht arbeitete und von Mehdi Hashemi, einem Bruder des Schwiegersohnes Montazeris, geleitet wurde. Durch die WBBO wurden die „Befreiungsbewegungen“ in Afghanistan, Libanon, der arabischen Welt und in Lateinamerika politisch und finanziell unterstützt. Anfang Oktober schon waren Mehdi Hashemi, sein Bruder Hadi und einige ihrer Freunde zusammen mit zwei Parlamentsmitgliedern unter der Anklage der „konterrevolutionären Verschwörung“ festgenommen worden. Warum die WBBO? Diese Organisation war es, die sich der Kriegsstrategie des Hojatoleslam Ali–Akbar Hashemi Rafsanjani widersetzte, einer Strategie, die auf eine militärisch–politische Lösung des Krieges setzt. Begrenzte militärische Operationen an der Front sollen mit politischen Initiativen gekoppelt werden, die darauf abzielen, jene Länder, die den Irak unterstützen, auf die iranische Seite zu ziehen oder zu neutralisieren. Nach Ansicht der WBBO des Mehdi Hashemi und seiner Freunde, die auf verschiedene Ebenen innerhalb des revolutionären Regimes verteilt sind, ist dies eine „kompromißlerische“ Strategie. Um Syrien zu veranlassen, nicht mehr diese Strategie Rafsanjanis zu unterstützen, wurde kurzerhand der syrische Geschäftsträger in Teheran, Ayadh Mahmud, im Oktober von Leuten des WBBO entführt. Die gegenüber den Syrern größten Unruhestifter im Libanon, die Hizbollah–Gruppen, wurden gleichfalls von der WBBO freigehalten. Nach der Verhaftung der Hashemis kann Syrien in dieser Beziehung mehr als glücklich sein. Als Alliierter und Hauptlieferant des Irak kann nun auch Moskau sich darüber freuen, daß die afghanischen Mudjaheddin nicht mehr „offiziell“ vom Iran unterstützt werden. Wohl als Antwort auf diesen Gefallen haben die Führer im Kreml die Rückkehr sowjetischer Experten in den Iran abgesegnet, die dort halbvollendete Projekte zu Ende bringen. Irans Geschenk an Moskau mag vielleicht zu klein sein, um die Sowjets von ihrer Unterstützung des Irak abzubringen, aber es wird ein wenig daran rütteln. Im Hinblick auf die westlichen und besonders us–amerikanischen Vorbehalte gegen den „staatsterroristischen“ Iran ist die Schließung der WBBO aber ein deutliches Signal. Französische Geiseln wurden befreit und der iranisch–französische Disput über Finanzmittel gelöst. Für die USA waren die Signale so eindeutig, daß der ehemalige Sicherheitsberater McFarlane sofort nach Teheran spurtete, ein Geschenk nach hiesigem Geschmack in der Tasche: die berühmte Waffenlieferung. Wenn das Szenario soweit noch nicht ganz vollständig scheint, dann können die Golfstaaten, also Iraks Hauptfinanziers, einiges tun, um es abzurunden. Die kleinen Staaten am Golf haben immer wegen der iranischen Sympathie und Hilfe für die jeweiligen einheimischen Oppositionsgruppen um ihre innere Stabilität fürchten müssen. Die „Islamische Revolutionäre Organisation der Arabischen Halbinsel“ in Saudi Arabien bekam direkte Hilfe vom Iran und hatte ein Büro in Teheran, natürlich mittels der WBBO. Verschiedene Putschversuche in Bahrein und die gescheiterte Ermordung des Emir von Kuwait werden dem Iran zugeschrieben. Das Verschwinden der WBBO konnte zwar nicht sofort die Bindung der Golfstaaten an den Irak unterbrechen, Zeichen der Befriedigung von dieser Seite ließen aber nicht lange auf sich warten. Der kuwaitische Sonderbotschafter al–Atiqi flog nach Teheran um Präsident Seyyed–Ali Khamenei zur Sitzung der Islamischen Weltkonferenz–Organisation ICO nach Kuwait einzuladen. Die ICO hat verschiedene Anstrengungen zur Beilegung des Golfkrieges unternommen. Die Unterdrückung der WBBO war zugleich eine gute Gelegenheit für den Premierminister Musawi, auch die unruhigen Rechts– außen–Flügel der Revolution in die Schranken zu weisen. In Anlehnung an ihre Abendzeitung „Resala“ werden die Rechten auch die „Resalatis“ genannt und haben unter den Händlern des Basar von Teheran ihre soziale Basis. Offenbar waren sie in ihrer Kritik der Finanz– und Militärpolitik der Musawi–Regierung, die ihrerseits von Parlamentssprecher Rafsanjani unterstützt wird, zu weit gegangen. Am 8. November wurde ein prominentes Mitglied dieser Gruppe, der Parlamentsabgeordnete Ahmad Kashani, unter der Anklage der „Verschwörung gegen das islamische Regime“ verhaftet. Schon im September war die Gruppe von Khomeini höchstpersönlich kritisiert worden. Inzwischen sind die Zeichen an den Westen, besonders die USA und an die konservativen arabischen Staaten unübersehbar. Diese aber können zum jetzigen Zeitpunkt nicht sehr viel vom Iran erwarten, denn noch deutlichere Schritte würden sicher den erbitterten Widerstand seitens der Radikalen im Iran hervorrufen. Anfang November warnte schon die „Islamische Studentenorganisation“ vor „kompromißlerischen Tendenzen in Richtung Westen und arabische Reaktionäre“! Die Schließung der WBBO wird als ein Signal an die Welt ernst genommen, sie kann aber auch das Ende der „offiziellen“ Unterstützung revolutionärer Bewegungen durch den Iran sein. Unterdessen hat Rafsanjani eine sorgfältig vorbereitete Wende vollzogen. Noch sorgfältiger sollte beobachtet werden, was daraus wird. Denn die Hardliner in Teheran sind nichr sehr an Worten interessiert; sie handeln, und zumeist ist deren Aktion mit Blutvergießen verknüpft.
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