piwik no script img

Kennzeichnung für LebensmittelErste Ampel im Supermarkt

Der Lebensmittelkonzern Frosta führt bei vier Produkten eine Kennzeichnung der Inhalte in Rot, Gelb und Grün ein. Andere Anbieter wie Nestlé verweigern die Ampel.

Achtung, rot ist ungesund - und kein Lebensmittelhersteller will der mit dem roten Punkt sein. Bild: dpa

BERLIN taz | Zum ersten Mal können Verbraucher in Deutschland die Ampelkennzeichnung von Lebensmitteln beim Einkauf im Supermarkt testen. Als erster deutscher Hersteller will der Marktführer bei Tiefkühlfertigprodukten, Frosta, ab August den Gehalt der vier wichtigsten Nährwerte auf der Packung in den Ampelfarben kennzeichnen. Frosta-Vorstand Felix Ahlers hält dieses System für einfacher als die bisher üblichen Tabellen. "Wenn jemand weiß, er muss weniger Salz essen, dann sieht er hier auf einen Blick: Dieses Produkt hat viel Salz", sagte Ahlers am Mittwoch in Berlin. Die Lebensmittelindustrie insgesamt beharrt aber auf ihrer Ablehnung.

Frosta zeigt zunächst auf seinen vier umsatzstärksten Produkten, wie die Ampel funktioniert: Auf der Vorderseite des Kartons stehen in einem Kästchen künftig insgesamt vier farbige Flächen für verschiedene Bestandteile. Die gesättigten Fettsäuren im "Wildlachs in Blätterteig" zum Beispiel haben eine rote Fläche, weil das Gericht viel dieses Cholesterin-Pushers enthält: 9,3 von 100 Gramm, wie der Grafik ebenfalls zu entnehmen ist. Fett und Salz sind gelb markiert, was auf einen mittleren Wert hinweist. Zucker ist grün angezeigt, denn sein Anteil ist mit 0,7 Gramm sehr gering. Die absoluten Zahlen beziehen sich stets auf 100 Gramm. So ließen sich verschiedene Produkte direkt miteinander vergleichen, wenn auch andere Hersteller die Ampel einführten.

Dass das notwendig ist, davon ist auch die größte deutsche Krankenkasse, die AOK, überzeugt. "Die Deutschen werden ständig dicker", erklärte AOK-Vizechef Jürgen Graalmann zur Begründung. 50 Prozent der Männer und 35 Prozent der Frauen litten an Übergewicht. Die Folgen - etwa Bluthochdruck, Schlaganfall und Diabetes - verursachten Kosten von jährlich 70 Milliarden Euro.

"Wir brauchen deshalb eine Lebensmittelkennzeichnung, die für die Verbraucher auch ohne Taschenrechner und auf einen Blick zu verstehen ist", sagte Gerd Billen, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands. Das von der Industrie als Gegenmodell zur Ampel propagierte System lehnen Verbraucherschützer ab: den "Nährwertkompass", zu erkennen an kleinen Kreisen oder Tonnen und Prozentangaben. Diese Grafiken seien bewusst kompliziert und missverständlich gestaltet. Zudem bezieht sich ein Teil der Angaben auf Portionsgrößen, die nach Meinung der Verbraucherschützer oft unrealistisch sind. So könnten Hersteller z. B. hohe Zuckeranteile besser verstecken, kritisierte der Chef der Verbraucherorganisation Foodwatch, Thilo Bode. Die Verbraucherschützer forderten deshalb, die Ampel per Gesetz vorzuschreiben. "Sonst führen die Hersteller mit roten Punkten sie nicht ein", sagte Bode.

Ernährungsministerin Ilse Aigner (CSU) antwortete darauf, eine verpflichtende Regelung könne nur die Europäische Union beschließen. Einen für Donnerstag geplanten runden Tisch zur Nährwertkennzeichnung mit Verbänden sagte Aigner ab. Für Bode ist der Hinweis auf Brüssel eine schlechte Ausrede: Deutschland müsse sich als einer der wichtigsten EU-Staaten für eine europäische Vorschrift einsetzen. Gerade Abgeordnete von CDU und CSU haben im Europaparlament gegen die Ampel gekämpft.

Zudem übt die Lebensmittelindustrie auch massiven Druck auf die Ministerin aus, bei der Ampel zu blockieren. Denn Frosta kommt mit seinen 392 Millionen Euro Umsatz lange nicht an die Branchenriesen heran, und die bleiben bei ihrem Widerstand. Achim Drewes, Sprecher des größten Lebensmittelanbieters in Deutschland, Nestlé, sagte der taz: "Wir werden definitiv nicht die Ampel übernehmen." Ähnlich äußerten sich Kraft Foods (u. a. Milka, Miracoli und Philadelphia), und der Branchenverband Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde.

"Umfragen zeigen uns, dass die Verbraucher mit unserer Nährwertkennzeichnung etwas anfangen können", sagte Drewes. Auch Nestlé beteiligt sich am Nährwertkompass.

Einen Wettbewerbsvorteil sehe der Konzern in einer freiwilligen Einführung der Ampel nicht. Drewes: "Dafür ist sie für den Verbraucher viel zu wenig relevant."

Die Ampel berücksichtige nicht, wie viel von dem jeweiligen Nahrungsmittel gegessen werde, argumentierte Drewes. Es sei nicht nachvollziehbar, wo die Grenze zwischen Grün, Gelb und Rot gezogen werde. Frosta orientiert sich dabei nach eigenen Angaben an Vorgaben der britischen Lebensmittelbehörde: Auf ihre Initiative führten Supermarktketten 2006 die Ampel freiwillig ein. Mittlerweile findet man sie laut Foodwatch auf rund 8.000 Produkten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • V
    vr____

    Die Ampelkennzeichnung ist bei "Nahrungsmittel"-Lobbyisten sehr beliebt - zur schnellen Orientierung bei ihren betriebswirtschaftlichen Analysen. Klar, eine Chipstüte ist zu komplex dafür.

  • K
    kaidoh

    Wie schön, dass es die netten Lobbyisten gibt, die den armen Politikern den Willen des Verbrauchers erklären: die verstehen die jetzigen Regeln schon, werden andererseits durch die Ampeln verwirrt und wollen natürlich nicht noch eine Verordnung. Und was macht der verwirrte Politiker: Er hält das Lobbyistengeschrei für die nüchterne Stimme der Wahrheit, hat offenbar kein allzu großes Interesse an einer aufgeklärten Bevölkerung und hält das Thema ansonsten fern vom Tisch (solldochmaldieEUmachen).

     

    Glücklicherweise gibt es Organisationen wie foodwatch, die z.B. mit der Seite

    http://www.abgespeist.de

    immer wieder klar machen, wie dummdreist die Großkonzerne ihre Kundschaft belügen und in die Irre führen. Also: Seite lesen, weitersagen, den Fraß der großen einfach nicht mehr kaufen (es ist tatsächlich nicht so schwer - ich für meinen Teil spende heute noch eine Kleinigkeit an foodwatch!)

  • TR
    Thomas Redeleit

    Die Ampelkennzeichnung bei Chips bzw. Süssigkeiten ist natürlich eher überflüssig. Es gibt aber genug Produkte, die einem einen gesunden Nährwert vorgaukeln, aber im Grunde genommen Zucker- und Fettbomben sind. Und genau diese Produkte werden durch die Ampel entlarvt und dem Verbraucher ein wenig mehr Transparenz gegeben.

  • CD
    Christian D.

    Das Ampelsystem ist ja nun nicht der Weisheit letzter Schluß. Chips: rot: echt, bin ich aber total überrascht, was? Schokolade ist auch nicht so gesund? echt? Danke, AMPEL! Wie wäres denn mit Grundkenntnissen über Ernährung? Zu uncool, schon klar, der arme Kunde hat ja vieles anderes zu tun...

    Wird auch mal Zeit, dass die taz mehr über Frosta berichtet, waren schließlich die ersten, die ihren Produkten keinerlei Zusätze (auch keine "Nichtzutaten!)beifügten. Hat es der Markt (Kunde) gedankt? Nein!

  • P
    P.Neumann

    Wenn das nicht mal wieder bezeichnend ist: In England ist die Ampel von den Unternehmen freiwillig eingeführt worden, und bei uns in Deutschland wird gleich wieder ein Gesetz nötig... Wird langsam echt mal Zeit, daß sich der Verbraucher seiner Macht entsinnt!

  • V
    vic

    Sehr gut, dass Frosta die Ampel einführt. Es wäre schön dies würde Pflicht. Leider sind da jedoch unsere Volksparteien vor.

    Ich plädiere aber mindestens auf ein Gesetz das besagt, die Inhaltsstoffe auf den Verpackungen nicht kleiner abzudrucken als die Werbebotschaft.

    Und auch nicht in der Quantität "Zwei Kekse", sondern in 100g.

    Von Nestlé kauf ich schon lange gar nichts mehr. Die wissen weshalb sie sich gegen Transparenz zur Wehr setzen.

  • FR
    Frank Rabe

    Kommentar zu taz online Bericht vom 03.06.2009: Kennzeichnung für Lebensmittel.

    Hallo Mit-Esser,

    …ja genau das zeigt dieser Bericht das man die Großkonzerne und sicher die kleinen Halunken explizit auch, per Gesetz auf den richtigen Weg bringen muß! Weil sie haben ganz andere Zielrichtungen: Platz 1.: Profit…

    Koste es was es wolle… Inhalte kümmern nur sekundär… Skrupel – kaum… Die Hauptsache ist, daß wir Kunden nicht allzu vordergründig zu Schaden kommen und ihr „Ding“ kaufen… Das wir im Durchschnitt zu Dick werden, damit haben sie auch natürlich nichts zu schaffen…

    Z. B.: Die Probiotischen Jogurt-Drinks sind ein einziger Werbegag… Hokus Pokus mit nichten so wirkungsvoll wie uns die Industrie uns glauben machen möchte, allenfalls ein prima Placebo… …Aber es verhält sich so: Die einen Glauben, wieder andere denken zu Wissen, noch andere wiederum meinen nichts dazu… …zumindest dazu hat der Werbeterror genützt, das ein bisschen aufzuzeigen was die Industrie eigentlich im Schilde führt…

    Fakt ist es geht um sehr viel Geld. Man stelle sich vor was wir alle im Monat für Lebensmittel ausgeben multiplizieren das mit 80 Mio. Einwohner und siehe da es ist tatsächlich sehr sehr viel Geld. Gleich Einfluss und Macht…

    UND es geht um unsere Gesundheit! Grenzwerte von Pestiziden, Fungiziden, Strahlungen, Pharmarückstände aller Art usw. etc. pp. (ganz lange liste…)

    UND es geht um eine Verhältnismäßigkeit in einer Umweltbilanz! Völlig absurd ist es Waren durch die halbe Welt zu ordern, die aber in gleichen Qualitäten bei uns um die Ecke wachsen – produziert – vertrieben werden….

    UND es geht um sinnvolle Um- Verpackungen, vermeidbarer Müll. Was uns da hingegen geboten wird ist teils exorbitant…

    Und sicher ist es geht um Ethik, Vertrauen, Verantwortung…

    Also Fakt ist das in Europa keine Politische Linie gibt die in die richtige Richtung etwas umsetzen kann, bestenfalls hier und da kleine Teilerfolge. Anderseits kann man es nicht für möglich halten was „erlaubt“ ist… …Fast alle Bemühungen die es in die „richtige“ Richtung zu ändern scheitern an den „großartigen“ Einfluss der Lobbyisten, weil trotz Finanzkrise, haben sie Geld genug um sich durchzusetzen, weil WIR sie jeden Tag drei mal ordentlich füttern… tja… the final trap…

    Nun ja, es geht auch anders: Siehe Präsident Obama, der hat in dieser kurzen Zeit soviel Gesetze auf dem Weg gebracht - dafür hätte die EU-Kommission 20 Jahre diskutiert um dann eine Reihe von Rohrkrepierern hinzubekommen. Dazu die 20 Jahre Zeit verplempert, sozusagen „zzgl. on top den Helmut Kohl Effekt“ des nichts tun’s, und wenn - das Falsche!

    Nächsten Sonntag ist Europa Wahl, eine Ampel auf dem Gebiet, na lieber nicht… Als Lebensmittel Kennzeichnung ein guter Anfang.

     

    09.06.03, Pressesprecher der tsdpvf, F. Rabe

  • CM
    Caroline Mahler

    Diese Ampel-Kennzeichnung wurde in Grossbritannien bereits von der Foods Standards Agency eingefuehrt (allerdings bisher auf freiwilliger Basis der Produzenten). Man sieht die "Ampel" hier in London immer oefter auf den Verpackungen abedruckt, und ich persoenlich finde diese Information sehr nuetzlich. Bei den in GB so beliebten "ready-meals" kommt es auch oefter vor, dass man bei allen Kategorien nur "rot" sieht, und mich wuerde interessieren, ob der Umsatz bei solchen Produkten seit der Einfuehrung der "Ampel" zurueckgegegangen ist.

  • JW
    Johannes W

    Lob an Frosta.

     

    Es darf nicht sein weil es zu einfach wäre, also wird es bei Nestlé nicht gemacht. So ist es doch zu interpretieren.

  • UR
    Udo Radert

    "Frosta" war mir persönlich schon immer sehr sympatisch: Keine Leibenmittelskandale, transparent (jedenfalls vergleichsweise) und schmecken tuts natürlich auch noch.

     

    Die anderen werden hoffentlich durch den Kunden - also durch UNS und UNSER Kaufverhalten - gezwungen nachzuziehen.