: Keine temporäre Krise
betr.: „Überleben in der Krise“, taz vom 30. 3. bis 2. 4. 09
Ihre dreiteilige Serie zum G-20-Gipfel in London habe ich mit Interesse gelesen. Nichtsdestotrotz waren die Darstellungen der Auswirkungen der Krise auf den Lebensalltag von Menschen in ihren unterschiedlichen sozialen Lagen, ob in Japan, den USA oder Russland, wenig aufschlussreich. Die jeweiligen Mentalitäten der Menschen und deren Umgang mit der Krise empfand ich als konstruiert. Wie auch die Krise selbst in ihren Ausmaßen herbeigeschrieben wird. Somit wird letzten Endes ein „Wir“ suggeriert, welches angeblich alle Menschen in allen Erdteilen gleichermaßen betrifft und nun die „Krise“ meistern muss.
Die Machart der oben genannten Reportagen, das heißt die melodramatische Skandalisierung von Einzelschicksalen, geht nicht über die oberflächliche Beschreibung von Erscheinungsformen hinaus. Sie lenkt von den wahren Hintergründen ab und vernebelt diese eher, anstatt sie zu erhellen. Es wird ein Bild von einer blumigen Vergangenheit vermittelt, vom guten alten Kapitalismus, in dem alles mehr oder weniger in Ordnung war, bis die Manager/Banker kamen und die Welt in das Chaos stürzten.
Bei der derzeitigen globalen Situation handelt es sich nicht um eine temporäre Krise, sondern die offen zutage tretende systemimmanente Zerstörungswut der kapitalistischen Wirtschaftsordnung.
FRIEDEMANN MUHME, Potsdam