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Keine heiligen Prügel

■ Gottesdienst jetzt mit Eintrittskarte

Bergstedt am 24. Dezember 1992: Vor dem schmucken frühgotischen Kirchlein kommt es zu „regelrechten Prügelszenen“. Das soll es in diesem Jahr so nicht mehr geben: Nur gegen „Berechtigungsschein“ ist hier an Heiligabend Gottes Wort zu hören. Nur 450 Besucher passen in das hübsche Kirchlein, 2000 standen im vorigen Jahr davor. Damit es nicht wieder zu Hauen und Stechen um die begehrten Plätze vor der Kanzel kommt, hatten die Kirchenoberen nun die Eingebung mit den Tickets. Auch „Sicherheitsgründe“ wurden geltend gemacht.

Die kostenlosen „Berechtigungsscheine“ sollen nun den Ansturm auf den Nachmittags-Gottesdienst an Heiligabend in geordnete Bahnen lenken. Schon nach zwei Tagen waren sie im Bergstedter Kirchenbüro restlos vergriffen: Überwiegend einheimische Kirchenmitglieder sicherten sich zu ihrer größten Zufriedenheit geschwind einen Platz – vor den Gottesdienst-Touris aus anderen Stadtteilen, die sich in den vergangenen Jahren auf Bergstedts Kirchenbänken breit und bräsig gemacht hatten.

Andernorts stößt die hanseatische Ticket-Idee auf „grundsätzliche Bedenken“: Der Gottesdienst müsse aus theologischen Gründen eine „absolut offene Veranstaltung“ bleiben. Wegen „Sicherheitsbedenken“ habe man noch niemanden vor die Tür gesetzt. Statt „Berechtigungsscheine“ zu verteilen, solle eher das Angebot erweitert werden. Denn: „Sonst gibt es eines Tages einen Schwarzmarkt für Gottesdienst-Eintrittskarten.“ Wunsch- oder Horrorvorstellung bei Kirchens?

epd/taz

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