: Keine Randale bei Großkundgebung
■ Über 10.000 Demonstranten kamen zur doch noch genehmigten Großkundgebung gegen die WAA / Münchner Innenstadt glänzte im Belagerungszustand / 35 Festnahmen nach spontaner Demonstration
Aus München Ellen Hofmann
Trotz der Unsicherheit, ob die von WAA–Gegnern vor den bayerischen Landtagswahlen geplante Kundgebung im letzten Augenblick doch noch verboten würde, kamen am Samstag über 10.000 Demonstranten auf den Münchner Königsplatz. Im Anschluß an die ohne Zwischenfälle verlaufende Kundgebung begaben sich einige hundert Demonstranten in die von Oktoberfestbesuchern, Einkaufenden und Fußballfans bevölkerte Fußgängerzone. Von den 31 dort Festgenommenen befinden sich die meisten noch in Haft. Ein beispielloses Polizeiaufgebot wurde bereits am Freitagabend in München zusammengezogen. Bundesgrenzschutz, Sondereinsatzkommandos und Bereitschaftspolizei rollten auf den Autobahnen vor allem aus dem Norden an. Parks und Parkplätze der Innenstadt waren belegt, öffentliche Gebäude wurden bewacht. Um 19 Uhr dann hatte sich laut Polizeibericht „die Lage beruhigt“. Mit der unmittelbar vor den Wahlen zum Bayerischen Landtag stattfindenden Großdemonstration wollten WAA–Gegner aller Schattierungen, darunter der Kinderschutzbund, BIs, Teile der Grünen und autonome Gruppen noch einmal die Bedeutung des außerparlamentarischen Widerstands gegen die Atomwirtschaft unterstreichen. Eine Rednerin vom Regensburger Koordinationsausschuß warnte vor der Gefahr, daß die WAA–Gegner gerade in der Oberpfalz „zwischen polizeilichem Terror und dem Wunsch, endlich im Parlament sprechen zu können“, aufgerieben würden. Rechtsanwältin Claudia Schenk berichtete von den Ermittlungsverfahren und Prozessen, wie sie derzeit in Schwandorf durchgeführt werden. Sabine Reinelt vom Kinderschutzbund (36.000 Mitglieder) zeigte sich „sauer, traurig und hilflos, daß keine breite Allianz auch mit Parteien für diese Veranstaltung entstanden ist“. Die Kundgebung, die vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof anstelle einer Demonstration zugelassen worden war, stand unter einem hohen Erwartungsdruck. BUND Naturschutz, SPD und Grüne hatten befürchtet, daß eine nicht absolut friedlich verlaufende Demonstration so kurz vor den Wahlen beste Wahlhilfe für die CSU sei. Zusätzlich zu diesen Kontroversen im Vorfeld wirkte sich das Verhalten der Ordnungsbehörde auf die bereits vor Wochen angemeldete Veranstaltung aus. Erst diese Woche wurde ein Verbot des Demonstrationszuges durch die Stadt erwirkt; die Kundgebung wurde auf den Königsplatz verbannt. Noch am Freitagabend hatte das Kreisverwaltungsreferat eine Verbindung zwischen Atomkraftgegnern und Bombendrohungen auf dem Oktoberfestgelände herzustellen versucht, um ein völliges Verbot der Veranstaltung zu erreichen. Nach dem Ende der Kundgebung wurden 500 bis 1000 Demonstranten auf der Straße zum Bahnhof eingekesselt und zurück auf den Königsplatz gedrängt, wo sich langsam alles auflöste. Am späten Nachmittag bot sich Einkäufern und Touristen das Schauspiel wechselnder polizeilicher Formationen wie Riegel und Kessel, die nur von nicht einschlägig bekleideten Menschen passiert werden konnten. Bilanz des friedlichen Samstags: 35 Festnahmen, Schlagstockverletzungen, ED–Behandlungen im Rathaus - und ein umgeworfener Tisch vor dem „Traditionslokal Donisl“.
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