: Keine Pillenandreher
■ 100 Jahre Apotheke am Viktoriapark / Von einem sechsköpfigen Kollektiv betrieben / Kritische Beratung, Kräuter und homöopathische Heilmittel
Nicht zehn Jahre wie die meisten anderen Alternativ-Projekte in der Stadt, sondern 100 Jahre existiert bereits die von einem sechsköpfigen Kollektiv betriebene Apotheke am Viktoriapark. Sie ist - so schwärmt eine dort regelmäßig einkaufende Heilpraktikerin - die einzige Apotheke in Berlin, in der Kräutermischungen noch selbst zusammengestellt werden, und zwar genauso wie vor 100 Jahren üblich.
Denn als die Apotheke im September 1888 von Joseph Faber in der damals noch vornehmen, als „Geheimratsviertel“ bezeichneten Wohngegend Großbeeren/Ecke Hagelberger Straße eröffnet wurde, waren Apotheken in erster Linie „produzierende Betriebe“. In der zum 100jährigen Bestehen veröffentlichten Broschüre wird beschrieben, daß seit dem Zweiten Weltkrieg zwar immer mehr „gesundheitsfördernde“ Mittel produziert und konsumiert, die „eigentlich krankmachenden Arbeits- und Lebensbedingungen“ dabei jedoch kaum beachtet wurden.
„In dieser Beziehung hat sich in den letzten Jahren viel geändert. Das Bewußtsein für alles, was wir so schlucken, ist gewachsen, und der eigene Körper in seiner Umgebung wird bewußter wahrgenommen.“
Im Zuge der „Gesundheitsbewegung“ wurde die Apotheke am Viktoriapark 1980 von einem Kollektiv übernommen. Die damals noch dreiköpfige Belegschaft wollte etwas für Apotheken völlig Neues aufbauen. Heute werden hier sowohl die von Pharma-Riesen produzierten Medikamente als auch klassische homöopathische Arzneimittel in sämtlichen Potenzen (Verdünnungsgraden) angeboten.
Kunden sollen hier eine umfassende kritische Beratung erhalten - unabhängig vom Gewinninteresse der Apotheke. Im Hinblick auf die üblichen Chemiepillen sei die BEratung meist eine ABratung. Kein Wunder, daß da der monatliche Nettolohn der Mitarbeiter bei 1.500 Mark liegt.
E.K.
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