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Keine Neigung zum Teilen

■ betr.: "De Maizi re will schnell über die Mauer", "Auf der Suche nach der verlorenen Identität" (Regierungserklärung des Minsterpräsidenten de Maizi re), taz vom 20.4.90

betr.: „De Maiziere will schnell über die Mauer“, „Auf der Suche nach der verlorenen Identität“ (Regierungserklärung des Ministerpräsidenten de Maiziere), taz vom 20.4.90

De Maiziere sagte in der Regierungserklärung: „Die Teilung (Deutschlands) kann nur durch Teilen aufgehoben werden.“ Noch nie wurde in so deutlicher Sprache ausgedrückt, was Sache ist. Dies müßte logischerweise die Sprache eines jeden Befürworters der Wiedervereinigung sein. Wie sollte die Teilung auch sonst überwunden werden? Wie das „Teilen“ allerdings aussehen wird, darauf darf man gespannt sein. (...)

Kanzler Kohl wird seine große Not haben, in der BRD Bereitwillige zu finden, die teilen. Verständlich, sind doch die Deutschen eher als Raffer bekannt, denn als diejenigen, die eine besondere Neigung zum Teilen hätten.

Die Teilung Deutschlands ist nicht die einzige. Es gibt bekanntlich die Teilung in die Erste, Zweite und Dritte Welt schon jahrzehntelang. Was diese Teilung betrifft, war das „Teilen“ noch nie im Gespräch, die Erste Welt ist weit davon entfernt, auf eine gerechte Weltwirtschaftsordnung hinzuarbeiten, geschweige denn Entwicklungshilfe zu leisten, die diesen Namen verdient. Vor diesem Hintergrund wäre das Teilen mit der DDR - falls es überhaupt dazu käme - weniger von moralisch christlicher Inspiration, eher von deutsch -nationaler.

SPD-„Vordenker“ Erhard Eppler sprach im Mai vorigen Jahres den ebenfalls bemerkenswerten Satz: „Es nutzt nichts, eine nicht lebensfähige DDR am Leben erhalten zu wollen.“ Das konnte natürlich nicht materiell gemeint gewesen sein. Immerhin gehört die DDR trotz aller Mißstände zu den 20 reichsten Ländern dieser Erde, noch vor vielen anderen Ostblockländern. Aber Eppler gab für viele das Signal, die DDR totzureden, aus seinen Parteifreunden wurden plötzlich Wiedervereinigungsdogmatiker, von Kanzlerberater Teltschik kam die Bankrottmeldung, niemand konnte ein andere Möglichkeit als die Wiedervereinigung auch nur denken, niemand wollte zu den vaterlandslosen Gesellen gezählt werden (SPD-Trauma).

Wenn nun aber die Teilung nur durch das Teilen überwunden werden kann - und dieses Teilen aber nicht so einfach sein wird -, werden sich vielleicht irgendwann in Zukunft manche fragen, warum die Wiedervereinigung als einzige Lösung in Betracht gezogen worden ist. (...)

Bernhard Genswein, Schopfheim

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