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„Keine Kriminellen“

■ Krenz erklärt sich im NVR-Prozeß

Berlin (dpa) – Im Prozeß gegen die Mitglieder des Nationalen Verteidigungsrats hat der frühere DDR-Staatsratsvorsitzende Egon Krenz am Montag die Angeklagten verteidigt und indirekt selbst die „politische und moralische Verantwortung“ für die Toten an der Berliner Mauer und der innerdeutschen Grenze übernommen. Nach einer 20minütigen Erklärung verweigerte Krenz jede weitere Aussage.

Vor dem Berliner Landgericht widersprach der 56jährige Honecker-Nachfolger den strafrechtlichen Schuldvorwürfen gegen sich und die Angeklagten – den ehemaligen DDR-Verteidigungsminister Heinz Keßler (73), dessen Stellvertreter Fritz Streletz (66) und den Suhler SED-Bezirkschef Hans Albrecht (72). „Wir haben politische Fehler gemacht, doch Kriminelle sind wir deshalb nicht.“

Wenn die Justiz allerdings davon ausgehe, daß die politische und militärische Führung der DDR kriminell gewesen sei, „dann entsteht die Frage, inwieweit sich unsere Gesprächspartner auf westdeutscher Seite der Begünstigung dieser Kriminalität schuldig gemacht haben“, sagte Krenz. Nach seiner Darstellung ist bei dem Besuch Honeckers in Bonn 1987 im Schlußcomunique kein Wort über die Verurteilung des Grenzregimes gefallen. Honecker habe Kohl die „Schußwaffenanwendungsordnung der DDR“ erläutert und dabei auf die vergleichbaren Bestimmungen in der Bundesrepublik verwiesen, ohne daß dem die bundesdeutsche Seite widersprochen habe.

Nach seiner Erklärung berief sich Krenz auf sein Aussageverweigerungsrecht und beantwortete keine Fragen. Er bat das Gericht, „als Zeichen der Aussöhnung“ die Haftbefehle gegen Keßler und Streletz aufzuheben. „Keiner der Beschuldigten hatte die Möglichkeit – selbst wenn er es gewollt hätte – das Grenzregime zu verändern“.

Krenz wurde wegen der gegen ihn laufenden Ermittlungen nicht vereidigt.

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