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„Keine Grundlage für eine Aussage“

Der Chemiker Alfred Schott von der Freien Universität Berlin zweifelt die im Auftrag des Verteidigungsministeriums erstellte Studie zu Uran-Munition an: Eine Gefährdung deutscher Soldaten lasse sich erst nach einer Langzeitbeobachtung feststellen

Interview ANDREAS ZUMACH

taz: Deutsche Soldaten im Kosovo waren keinem Gesundheitsrisiko Uran-Munition ausgesetzt, sagt die im Auftrag von Verteidigungsminister Scharping erstellte Studie des Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit (GSF). Kann die Debatte damit beendet werden?

Alfred Schott: Keineswegs. Diese Untersuchung bietet überhaupt keine Grundlage für eine Aussage über Gesundheitsgefährdungen. Untersucht wurden lediglich 121 KFOR-Soldaten auf Uranspuren im Urin – und das maximal zehn Monate nach ihrem Einsatz im Kosovo. Aber die eventuell in den Körper aufgenommenen feinen, nichtlöslichen Uranoxid-Partikel, die beim Aufprall und der Verbrennung von DU-Munition entstehen, lagern sich zunächst im Körper ab. Nur wenn sie mit der Zeit löslich werden, gelangen sie überhaupt in den Urin – aber auch dies frühestens nach anderthalb Jahren. Seriöse Feststellungen über eine eventuelle Gesundheitsgefährdung lassen sich daher erst nach einer Langzeitbeobachtung der Soldaten über acht bis zehn Jahren mit regelmäßigen Urinkontrollen machen. In Scharpings Expertenkommission ist kein Wissenschaftler, der bislang durch DU-relevante Forschung aufgefallen wäre. Solche Wissenschaftler gibt es aber in Deutschland.

GSF-Direktor Herwig Paretzke glaubt, dass die radioaktive Strahlung der Munition für eine Gesundheitsgefährdung „zu schwach“ und die Menge der nach einer Explosion aufgewirbelten Uranstaub-Partikel „zu gering“ sei.

Diese Aussagen kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Erstens: Mit Blick auf die radioaktive Wirkung von DU gilt zunächst, dass es bei strahlenden Substanzen grundsätzlich keine untere Schädlichkeitsgrenze gibt. Zweitens: Woher kennt das GSF die Menge der nach einer Explosion aufgewirbelten Uran-Partikelstäube? Das ist bis heute noch an keinem der bekannten Einsatzorte von DU-Munition gründlich untersucht worden – weder im Kosovo noch in Bosnien oder im Irak. Drittens: Neben Leukämie gibt es andere, ebenso schwerwiegende Erkrankungen, die möglicherweise durch die radioaktive, vor allem aber die hochtoxische Wirkung von DU ausgelöst werden.

Einen Zusammenhang zwischen Leukämie und radioaktiver Strahlung der Munition schließt die GSF aus. Dieser lasse sich weder in Tschernobyl noch bei Beschäftigten im Uranbergbau nachweisen.

Die Wirkung von DU-Partikeln auf Körper-und Blutzellen ist bislang überhaupt nicht ausreichend erforscht, um die Verursachung von Leukämie seriöserweise ausschließen zu können. Dazu kommt: Bei der Explosion von DU-Munition in einem Panzer laufen wegen der extrem hohen Hitzeentwicklung ganz neuartige chemische Prozesse ab. Neben der DU-Munition verbrennen alle möglichen Metalle, Kunststoffe und andere Materialien aus dem Panzer. Dabei entstehen neue, möglicherweise radioaktive und hochgiftige Aerosole und Radionuklide, die vielleicht Auslöser sein könnten für verschiedene Krankheitssymptome, die inzwischen im Irak, bei Golfkriegsveteranen und in Bosnien aufgetreten sind. All das ist bis heute nicht untersucht worden – außer vielleicht in geheimen Forschungen des Pentagon.

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