kurzkritik: feridun zaimoglu : Keine Fragen
Über Lesungen zu schreiben ist wie zu Architektur zu tanzen, sagen die alten Blues-Leute. Und wenn der Lesende auch noch beschließt, nach einem Dreiviertelstündchen den Gang an die Bar der Schwankhalle anzutreten, weil man ihn ja auch da und viel besser fragen könne, dann ist das sympathisch, ergibt aber auch nicht mehr Stoff zum Schreiben.
So machte Feridun Zaimoglu, alter Freund des Jungen Theaters und Erfinder der Kanakster-Philosophie, das Beste aus der Situation, die man schließlich auch mal als das bezeichnen kann, was sie ist: Lesereisen dienen der Bewerbung von Büchern, sind also mehr oder weniger Werbung, zumal bekanntlich viele Menschen sich gern mit original handsignierten Ausgaben schmücken – und die holt man sich eben am besten bequem und Aug’ in Aug’ nebst ein paar freundlichen Worten bei Lesungen ab.
Die erwähnte Dreiviertelstunde übrigens – und das ist einiges wert – war unterhaltsam und machte Lust auf „Leyla“, Zaimoglus neuen Roman, mit dem er sich als ausgereifter Romancier erweist. Er erzählt mit feinem Humor die Geschichte eines Mädchens, das in einer anatolischen Kleinstadt aufwächst, später mit seiner Familie nach Istanbul zieht und die Widersprüche zwischen eigener Lebenslust und den Traditionen entdeckt. Zaimoglu ist obendrein kein übler Vorleser und so war es wohl für beide Seiten ein ertragreicher Abend - für Zaimoglu sicherlich nicht zuletzt, weil er mal wieder ein paar alte Freunde begrüßen durfte. Andreas Schnell