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Keine Einigung über Kurdistan

■ Kurden halten Bagdader Kompromißvorschlag für unannehmbar/ Zukunft eines autonomen Kurdistans steht weiterhin in den Sternen/ Verhandlungen mit Bagdad sollen aber weitergehen

Sardawa/Damaskus (ap/afp) — Die politische Dachorganisation der irakischen Kurden hat den von Rebellenführern und der Bagdader Regierung ausgehandelten Plan für ein autonomes Kurdistan abgelehnt. Massud Barzani, der Führer der in der Kurdistan-Front zusammengeschlossenen acht Parteien, kündigte am Samstag in seinem stark befestigten Hauptquartier im nordirakischen Sardawa an, er werde zu weiteren Gesprächen nach Bagdad zurückkehren.

Das Hauptproblem bei den Verhandlungen seien die unannehmbaren Vorbedingungen Bagdads, sagte Barsani. So seien mehrere kurdische Gebiete, darunter die Städte Mandeli, Sindschar, Simar und Chanikin sowie das Ölzentrum Kirkuk, aus der autonomen Region Kurdistan ausgeklammert worden. Mitglieder der Kurdistan-Front kritisierten auch, daß Bagdad die Kurden dazu verpflichten wolle, sich in innen- wie außenpolitischen Auseinandersetzungen auf die Seite der Baath-Partei Saddam Husseins zu stellen, die Peschmerga zu entwaffnen und die Beziehungen zum westlichen Ausland abzubrechen.

Noch Anfang des Monats hatten Barzani, der auch Führer der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) ist, und die irakische Regierung erklärt, ein Abkommen stehe kurz vor dem Abschluß. Dazu sagte Barzani nun aber, er sei mißverstanden worden. „Ich bin nicht mit einem fertigen Abkommen zurückgekommen“, sagte Barzani. Er deutete auch die Möglichkeit von Kompromissen an. So müsse Kirkuk nicht direkt in das autonome Gebiet miteinbezogen werden. Er hoffe aber, daß es als kurdische Stadt anerkannt und von einer gemeinsamen Verwaltung regiert werde. Die Kurden hatten schon zugestimmt, daß die Ausbeutung der irakischen Ölvorkommen sowie die Verteidigungs-, Außen- und Finanzpolitik Sache der Regierung sind.

Dschalal Talabani, Führer der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) ergänzte, die Kurdistan-Front werde der irakischen Seite schlicht mitteilen, daß ihre Bedingungen nicht annehmbar seien. Die Eckpfeiler der Bagdad vorgelegten Vorschläge seien Autonomie für die Kurden und die Ausarbeitung einer neuen Verfassung durch ein frei zu wählendes irakisches Parlament, sagte er.

Auch der Sprecher des 17 Parteien und Bewegungen umspannenden Aktionskomitees der irakischen Opposition, Bayan Dschaber, bezeichnete die Verhandlungen als „blockiert“. Dschaber zufolge kamen am Samstag in Damaskus die Vertreter von etwa 30 irakischen Oppositionsgruppen zu zweitägigen Beratungen über die jüngsten Ereignisse im Irak zusammen. Im Mittelpunkt sollten dabei die Verhandlungen der irakischen Kurdistan-Front mit der irakischen Regierung und der „Völkermord“ des irakischen Regimes an den Schiiten im Süden des Landes stehen. Die Patriotische Union Kurdistans von Dschalal Talabani werde einen Bericht über den Fortgang der Verhandlungen mit Bagdad vorlegen.

Die Organisationen des Aktionskomitees hatten im Dezember vergangenen Jahres in Damaskus eine gemeinsame Aktionsplattform ausgearbeitet, die den Sturz von Präsident Saddam Hussein und die Einführung eines demokratischen Systems im Irak zum Ziel hat.

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