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Keine Chance für Kunzelmann

■ Der Delegiertenrat sichert der Jugendsenatorin seine volle Unterstützung zu / Über Pilotenspiele und politische Moral wurde nicht mehr diskutiert

Die AL kann Querdenker nicht leiden, zumal wenn sie sich als Querulanten aufführen. Das ließ am Mittwoch abend der Delegiertenrat das langjährige Parteimitglied Dieter Kunzelmann spüren. Bei der Debatte um die ehemalige Fliegerleidenschaft der Jugendsenatorin Anne Klein wollte seine Argumente niemand mehr hören, schlimmer, er wurde niedergebrüllt.

In einer nur halbstündigen Diskussion verabschiedeten die Delegierten einen Antrag von GA und Fraktionsvorstand in dem die Partei ihrer Senatorin „die volle Unterstützung“ zusichert und zwar sowohl gegen die Angriffe auf ihre Person als auch für ihre Arbeit als Senatorin. Die Vorwürfe, die von der CDU gegen sie erhoben wurden, werden als „heuchlerisch und doppelbödig“ bezeichnet. Nicht der politische Angriff auf die Senatorin habe im Mittelpunkt gestanden, sondern die „persönliche Diffamierung“. Die AL wehrt sich dagegen, daß einzelne Stimmen, die sich kritisch zur Teilnahme von Frau Klein am Pilotenspiel geäußert haben, mit Spekulationen darüber verbunden wurden, die AL stehe nicht hinter ihrer Senatorin. Bei einer Gegenstimme wurde die Resolution angenommen.

Dem vorangegangen war eine Meisterstück der Verdrängung. Nachdem die Senatorin eine Erklärung abgegeben hatte, die dem entsprach, was sie bereits am Montag auf der Pressekonferenz erklärt hatte, war Zeit zu Fragen und zur Diskussion. Doch die sonst immer ellenlange Redeliste und die Ermahnungen an die Vielredner war am Mittwoch abend unnötig. Außer Frank Koslowski (AL Spandau), der wissen wollte, ob Anne Klein denn nun das Geld für ein soziales Projekt spende, hatte niemand eine ernsthafte Frage an Anne Klein. Diskussionsbedarf gab es ebenfalls nicht, man wollte das Thema vom Tisch haben. Selbst Johann Müller-Gazurekt, der in der letzten Woche noch bitter empört war, daß „seine“ Senatorin Pilotin gespielt hatte, war zufrieden. Sie habe Selbstkritik geübt, was könne man mehr erwarten. Andere Kritiker (Jochen Esser, Birgit Arkenstette) waren nicht erschienen.

Der Vorhang war schon halb gefallen. Da forderte Dieter Kunzelmann erneut den Rücktritt der Senatorin. Ihm war es weiterhin ein Problem, daß Anne Klein an dem „unmoralischen Pilotenspiel“ teilgenommen hatte. Wäre das bei ihrer Nominierung bekannt gewesen, sagte Kunzelmann, wäre sie, die mit nur knapper Mehrheit gewählt worden war, nicht durchgekommen. Der Partei wirft er vor, sich jetzt „blind“ an ihre Seite zu stellen. „Ich habe doch auch als Mitglied dieser Liste einen Ruf zu verlieren...“ konnte Kunzelmann gerade noch sagen, und “...darf ich vielleicht ausreden“, da schallte ihm ein gereiztes, vielstimmiges „Nein“ entgegen. Die Delegierten wollten seine Argumente nicht hören. Kunzelmann, der politische Moralist, mußte am Mittwoch abend eine deutliche Niederlage einstecken. Doch wer sich entblößt hat, war die Partei, die ansonsten so viel Wert auf das Wort „Demokratie“ in ihrem Titel legt.

bf

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