■ Diepgens Bilanz: Keine Besserung
Parteien sollten einmal die Kriterien prüfen, nach denen sie ihre Spitzenkräfte aussuchen. Offenbar können sich in der Politik nämlich noch immer jene am weitesten durchsetzen, denen die nötige Portion Realismus oder der Humor fehlt, wenn sie ihre „Leistungen“ selbst einschätzen. Zu dieser Spezies zählen viele – vor allem Männer – und wenig überraschend auch „Supermann“ Eberhard Diepgen. Um gestern von einer positiven Bilanz der Arbeit des Senats sprechen zu können, muß Diepgen zuvor jedenfalls eine Menge verdrängt und vergessen haben. Unstrittig sind es Verdienste der Großen Koalition und insbesondere des Regierenden: Bonn wird nach Berlin umziehen, die Schlacht um die Fusion mit Brandenburg ist zumindest im Parlament geschlagen, und die überdurchschnittliche Gehaltserhöhung im Ostberliner öffentlichen Dienst hat das Zusammenwachsen dieser Stadt befördert. Doch warum kann ein Regierender nicht zugeben, daß er mit der Olympiabewerbung baden ging, daß die als so wichtig angekündigte Verwaltungsreform immer mehr versandet, daß Diepgens Einfluß bei der CDU-Bundesregierung gerade bei der Kulturfinanzierung sich als kaum vorhanden erwiesen hat, daß der Traum vom Großflughafen faktisch geplatzt ist und die Finanzen des Landes alles andere als saniert sind? Wäre Diepgen zu sich selbst und der Öffentlichkeit ehrlich, er würde eingestehen, daß die Erfolge des Senats in den letzten fünf Jahren von den Niederlagen relativiert werden und bei der Bilanz das Wort „positiv“ gestrichen werden muß. Von jemanden aber, der auch und gerade als Regierender Bürgermeister so gut wie keine Fehler einräumen mag, können kaum die nötigen Korrekturen erwartet werden. Dirk Wildt
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