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Keine Angst vorm Schokowahn

■ Sozialmediziner warnen vor BSE im Osterhasen - und die lila Kuh ärgert sich: alles Quatsch

Aus der Traum vom Schokoladen–Osterhasen oder den gefüllten Eiern. Seit gestern nämlich steht auch Schokolade auf der Risikoliste verseuchter Lebensmittel. In ihr könnte ein scheußlicher Krankmacher stecken, warnt der Bremer Gesundheitsexperte Eberhard Greiser vom Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin (BIPS). Nach seiner Ansicht muß davon ausgegangen werden, daß sämtliche Gewebe von britischen Rindern BSE-infektiös sein könnten. Klartext: Der sogenannte Rinderwahnsinn, der beim Menschen als Creutzfeldt-Jakob-Syndrom auftritt, sei möglicherweise auch im Milchpulver oder anderen Lebensmitteln enthalten und könne Menschen so infizieren. Gegenwärtig kennt Greiser nur ein Gegenmittel: den völligen Verzicht zweifelhafter Lebensmittel – und dazu zählt die Schokolade.

Die ist der letzte, aber öffentlichkeitswirksamste Schlag, zu dem Greiser ausholt. Ihn treibt die Sorge, daß eine Epidemie über Europa hereinbrechen könnte, die das Ausmaß von AIDS hätte. Alle anderen Vorschläge, die er zur Verhütung oder Vorbeugung der Krankheit unterbreitete, seien bisher in den Wind geschlagen worden, sagt Greiser. Er wolle nun nicht zur Panikmache beitragen. Doch am Donnerstag, als Gesundheitspolitiker allen Ernstes behauptet hätten, für die Bevölkerung herrsche keine Gefahr, da sei ihm der Hut hochgegangen. Die letzten bekanntgewordenen Erkrankungen, die vor allem junge Menschen in England betrafen, deuten nach seiner Ansicht nämlich darauf hin, daß es mehrere Ansteckungswege geben muß. Das Problem: Sie sind erstens unbekannt und zweitens unerforscht. „Das war vorauszusehen“, sagt Greiser heute. Deswegen habe er schon vor eineinhalb Jahren, nachdem sich Bundesminister Seehofer anfangs „sehr mutig“ gegen den Import von britischem Rindfleisch gewendet habe, an den Minister geschrieben. Er habe Studien gefordert, mit denen die Übertragungswege der Krankheit erforscht werden sollten. Vergeblich.

Vergeblich blieben bisher auch andere Bemühungen des BIPS. „Wir fordern schon lange, daß auf den Lebensmitteln deklariert wird, woher sie stammen“, sagt Greiser. Damit seien in akuten Fällen schnelle Reaktionen zum Schutz der VerbraucherInnen möglich. Nun habe man keine andere Wahl, als jedes Risiko zu vermeiden.

Über eine Risikovermeidung, die den Hersteller trifft, ist man beim Bremer Genußmittelproduzenten Kraft-Jacobs-Suchard geradezu erbost. „Ich wollte heute schon Herrn Greiser anrufen und zum Rindfleischessen einladen“, scherzt Pressesprecher Rolf Sauerbier zwar. Aber eigentlich ist ihm zum Scherzen nicht zumute. „Diese Presseerklärung ist ungeheuerlich“, sagt er. Der Verdacht von Milchpulver als Krankheitsüberträger sei nicht bewiesen. Außerdem stamme die „zarteste Versuchung“, sprich die lila Milka, so gut wie von der Alm – und nicht aus England. „Die ist aus reiner Alpenmilch“, sagt er. Wo das draufsteht, müsse das auch drinsein. Schon aus wettbewerbsrechtlichen Gründen.

Für Greiser ist das kein Grund, seine Sorgen zurückzunehmen. „In der Schweiz hat es auch Fälle von BSE gegeben“, sagt er. Im Sinne des Verbraucherschutzes will er beinhart bleiben: „Das wäre doch das letzte, wenn wir nachweisen müßten, daß der Verzehr solcher Lebensmittel dem Menschen nichts ausmacht“, sagt er. Schließlich sei die Lobby sowieso eng am Gesetzgeber. Dafür sprächen nicht zuletzt die EU-Verordnungen, die das unkontrollierte Herumschieben von Lebensmitteln ermöglichten. Nun sei es Zeit zum Handeln – für VerbraucherInnen und für Gesetzgeber. ede

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