piwik no script img

Keine Alternativen

■ Beteiligungssparen ist nichts für Kleinanleger

Ein guter Name ist in unserer ach so rational funktionierenden Welt noch immer eine Menge wert, wie die Käufer ganz bestimmter Auto-, Uhren- oder Turnschuhmarken bestätigen können. Dies gilt natürlich besonders für jede Art von Geldgeschäften: Die wenigsten Verbraucher kennen sich mit der Materie auch nur annähernd aus – und darum ist Vertrauen der Anfang von allem.

Es braucht also ganz besonders dringend einen guten Namen, wer anderer Leute Geld verwalten möchte, und wenn man keinen hat, dann macht man sich eben einen. „Pro Alternative“ ist solch ein guter Name. Der „Berufsverband alternative Finanzvermittlung e.V.“ setzt offensichtlich darauf, daß man sich unter dem Begriff „Alternative“ alles mögliche vorstellen kann, nur nichts Schlechtes.

Verbraucherschützer haben dagegen durchaus eine Vorstellung von „Pro Verbraucher“, einem „Bundesverband verbraucherschutzorientierter Kostensenkungsspezialisten“. Die Zeitschrift Finanztest berichtete schon vor zwei Jahren, daß diesem Verein als Präsident Peter Max Freiherr von Lepel vorstand, der gleichzeitig als Geschäftsführer der „Betreuungsgesellschaft deutscher Finanzkaufleute und Finanzmakler“ (B.D.F.) fungierte. Praktischerweise unterhielten beide Verbände ihre Büros unter derselben Adresse, nämlich der Kirchstraße 5 in Untergruppenbach. „Pro Verbraucher“ gibt es mittlerweile nicht mehr, dafür aber „Pro Alternative“.

Eine solche Verbindung muß natürlich nichts Verwerfliches sein. Allerdings ist Freiherr von Lepel in Fachkreisen kein Unbekannter. Die Stiftung Warentest hat ihm und seinen diversen Aktivitäten in der Vergangenheit einige Aufmerksamkeit gewidmet und immer wieder vor dubiosen Anlagegeschäften gewarnt. So verkaufte beispielsweise die B.D.F. Kapitalanlagen der Hygieneartikelfirmen „Clean Patent“ und „Clean Lease“, die wiederum mit „Clean Concept“ verflochten waren – und deren Geschäftsführer hieß Peter Max Freiherr von Lepel. Anfang letzten Jahres wußten sich seine Kollegen aus der Firmenleitung offenbar nicht mehr anders zu helfen, als in einem offenen Brief gegen die Praktiken von Lepels zu protestieren, die sie mitverantwortlich für die erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Firmengruppe machten. Vor kurzem meldete „Clean-Concept“ Vergleich an.

Bei derart merkwürdigen Konstellationen zwischen Finanzvermittlung und den von ihr zu vermittelnden Finanzen sollte der Verbraucher schon Vorsicht walten lassen und sich gründlich informieren. Praktischerweise kann man auch das im Umkreis des B.D.F., und zwar bei „Geld und Verbraucher“, der „Interessengemeinschaft der Versicherten, Sparer und Kapitalanleger e.V.“ (GVI). Dieser Verein residiert allerdings nicht in der Untergruppenbacher Kirchstraße, sondern im nahen Heilbronn. In der Kirchstraße gab es aber einmal eine „Schutzvereinigung der Versicherten...“ und so weiter, die – man ahnt es bereits – zu ihren Initiatoren Peter Max Freiherr von Lepel zählen durfte. Gegen die Verwendung des Begriffs „Schutzgemeinschaft“ strengte der Verbraucherschutzverein Berlin eine Unterlassungsklage an, und kurz darauf erfolgte tatsächlich eine Namensänderung.

In Werbebroschüren – die natürlich in Wahrheit keine Werbe-, sondern Informationsbroschüren sind und deshalb nur gegen Vorkasse verschickt werden – bezeichnet sich die GIV selbst als „Robin Hood des Finanz- und Versicherungsmarktes“ und verweist stolz darauf, daß man sich sogar schon mit Organisationen wie der Stiftung Warentest oder den Verbraucherzentralen angelegt habe. Wobei letzteres auf Gegenseitigkeit beruhte, denn die Interessengemeinschaft verbreitet nicht nur – relativ brauchbare – Tips zur Kostensenkung bei Versicherungsgeschäften. Sie empfiehlt den Ratsuchenden gleichzeitig auch, das gesparte Geld in Privatanlagen zu investieren, wobei offenbar eine leichte Präferenz für Gesellschaften wie „Pro Alternative“ und andere Unternehmungen aus dem Umkreis des B.D.F. besteht. Die Richtlinien der Robin-Hood-Epigonen verpflichten aber zu „Neutralität und Unabhängigkeit“, weshalb man für die Zweifel der Verbraucherschützer an der Beachtung ebendieser Prinzipien keinerlei Verständnis aufbringt. Bei entsprechenden Berichten, weiß man bei Finanztest, wurden denn auch meist umgehend Gegendarstellungen versandt – freilich nicht an die Redaktion, sondern an GVI- Mitglieder und Kunden.

Nun sind derartige Praktiken auf dem Kapitalmarkt kein Einzelfall, und die versprochenen Dividenden verführen immer wieder zur Unvorsichtigkeit. Nicht nur der „Bund der Versicherten“ (BdV) empfiehlt deshalb dringend die Beachtung einer ganz einfachen Regel: Im Gewirr der unzähligen kleinen Investmentberater und -vermittler sollte man gar nicht erst nach dem Vertrauenswürdigsten suchen. „Dieses Beteiligungssparen“, so BdV-Mitarbeiter Thorsten Rudnik, „ist überhaupt nichts für Kleinanleger.“ Jochen Siemer

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen