: Kein leichtes Spiel für den US-Außenminister
Am Vorabend des Bakerbesuchs gründet Gusch-Emunim neue Siedlung in der Westbank/ Innenpolitische Auseinandersetzung um Siedler ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
In Israels Regierung ist man wenig begeistert darüber, daß die „Blitzbesuche“ des US-Außenministers nun offenbar zur Gewohnheit werden. Man ist verstimmt darüber, daß Baker auch noch zum Ende des israelischen Nationalfeiertages hier eintrifft. Israel hat die US-Regierung davon in Kenntnis gesetzt, daß ein Beobachterstatus für die EG-Staaten sogar im Rahmen der von Schamir anvisierten „Regionalkonferenz“ unerwünscht sei. Außerdem soll nach den Vorstellungen der israelischen Regierung die Rolle der Großmächte, vor allem die der UdSSR, mit dem Abschluß dieser eben nur als Eröffnungsritual gedachten Regionalkonferenz beendet sein. Darum will die israelische Regierung auch verhindern, daß eventuelle bilaterale Gespräche mit arabischen Staaten in einem System von „Unterausschüssen“ verbunden werden.
Eine Beteiligung von USA und UdSSR an bilateralen Verhandlungen war als amerikanisches Entgegenkommen an die arabischen Staaten gedacht. Letztere sähen es lieber, wenn die Verhandlungen mit Israel in einer internationalen Konferenz einen permanenten Rahmen fänden. Man nimmt in Jerusalem an, daß Baker einen Mittelweg vorschlagen wird: Die vorsitzenden Großmächte mischen sich nicht in die „bilateralen Gespräche“ ein, erhalten aber von den Verhandlungspartnern Berichte über deren Verlauf und bleiben als Schiedsrichter präsent.
Voraussetzung für eine wie auch immer beschaffene Rolle der Sowjetunion bei den Nahost-Verhandlungen ist aus israelischer Sicht eine Neudefinition der israelisch-sowjetischen Beziehungen. Bei seinem Treffen mit dem sowjetischen Ministerpräsidenten Valentin Pawlow in London sprach Ministerpräsident Schamir eine Einladung an die Sowjetunion aus, sich an diesem Prozeß zu beteiligen, unter der Bedingung, daß die UdSSR die 1967 abgebrochenen diplomatischen Beziehungen mit Israel in vollem Umfang wiederaufnehmen. Pawlow versprach, die israelischen Vorschläge an Präsident Gorbatschow und an das sowjetische Außenministerium weiterzuleiten. Man kam bei diesem ersten Treffen lediglich überein, die sowjetisch-israelischen Beziehungen „weiterzuentwickeln“.
US-Außenminister Baker wird bei seinen heutigen Gesprächen auch die Einigung auf einen Vertretungsmodus für die Palästinenser erneut auf die Tagesordnung setzen. Die israelische Regierung besteht weiterhin darauf, daß die Palästinenser nur in einer jordanisch-palästinensischen Delegation vertreten sein dürfen. Außerdem soll die palästinensische Bevölkerung Ostjerusalems nicht beteiligt werden. Dies hätte auch unmittelbare Konsequenzen: führende Politiker der Palästinenser, wie Feisal Husseini und Sari Nusseibe, beide aus Ostjerusalem, könnten nicht mehr als Vertreter der palästinensischen Bevölkerung in den besetzten Gebieten auftreten.
Aller Voraussicht nach wird sich Baker am Freitag im US-amerikanischen Generalkonsulat erneut mit der palästinensischen Delegation unter Führung von Husseini treffen. Unter den Delegationsmitgliedern wird diesmal auch der Vorsitzende der palästinensischen Journalisten- Union, Raduan Abu Ijasch, sein, der nach fünf Monaten Administrativhaft letzte Woche freigelassen wurde. Die Opposition der Palästinenser in den besetzten Gebieten gegen die Treffen mit Baker nimmt weiter zu, da nicht mit definitiven Zusagen vor allem über ein Ende der israelischen Siedlungspolitik gerechnet werden kann.
Die israelische Regierung ist von Konzessionen in dieser Frage weit entfernt. Im Gegenteil: Man will die besetzten Gebiete halten, und die Chancen dafür steigen mit der Zahl der dort lebenden Siedler. „Das versteht doch jeder Dummkopf“, sagte der israelische Verteidigungsminister, „wenn es 100.000 israelische Siedler in Judäa und Samaria (der Westbank) gibt, ist die Gefahr, daß wir die Gebiete verlieren, viel geringer als zu der Zeit, als wir nur 500 Siedler dort hatten.“
Vorgestern wurde im Norden der Westbank eine neue Siedlung der radikalen Gush-Emunim eröffnet. Vierzehn Wohncontainer wurden aufgestellt, die Zufahrtsstraße ist bereits fertig. Die ersten zehn Familien sollen jetzt einziehen. Mitglieder israelischer Oppostionsparteien demonstrierten am Dienstag vor Ort gegen die Siedlungspolitik und versuchten, die Bauarbeiten zu behindern. Polizei und Militär wurde eingesetzt, um sie zu vertreiben. Nach Angaben des Sprechers von Gush- Emunim, Noam Arnon, sollten gestern, am israelischen Nationalfeiertag, 10.000 Sympathisanten der Siedler an der Eröffnung der Siedlung teilnehmen. Der Sprecher erklärte auch, die Regierung habe die Gründung der neuen Siedlung bestätigt. Die Neugründung führte in der israelischen Innenpolitik zu einem Aufruhr. Oppositionspolitiker brachten einen Mißtrauensantrag gegen die Regierung ein. Nach Auffassung des Regierungschefs wird die neue Siedlungsgründung den Baker- Besuch nicht negativ beeinflußen.
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