kommentar : Kein Wind mehr im Segel
„Pracht / macht / Acht“, so lautet ein barockes Kurzgedicht. Stimmt so weit: Die opulente Verschiffung der Bremer Kulturhauptstadtbewerbung per nachgebauter Hansekogge hat Aufmerksamkeit erregt, das Medi–enecho entlang des Fahrwegs war groß. In der Hauptstadt ist die güldene Weißheit des 17. Jahrhunderts jedoch am Ende.
Das Auswärtige Amt zeigt sich ungerührt von der Bremer Prachtenfaltung. Man lässt die Flotte einfach auflaufen. Aller gebotenen Schadenfreude zum Trotz – das ist ein Affront. Denn vorgesehen und informell zugesagt war, dass Henning Scherf das zweibändige Opus einem Staatsminister des Außenministeriums überreicht. Scherf war gestern da. Ein Bundes-Offizieller nicht. Das zeigt einerseits, dass der Bremer Senatspräsident in Berlin allenfalls noch als Ex-Bürgermeister in spe gehandelt wird.
Symptomatisch ist dieses Verhalten aber noch in anderer Hinsicht. Denn weder Braunschweig, noch Lübeck, noch die bayrische Bewerberin Regensburg dürfen auf einen wärmeren Empfang als Bremen hoffen. Im Gegenteil: Erst vor zehn Tagen hat sich das Auswärtige Amt bequemt, einen Abgabe-Termin überhaupt zu benennen, obwohl die Kulturhauptstadtbewerbungs-Welle – 16 Städte hatten ursprünglich kandidiert, 9 sind nach den Länderausscheidungen noch im Rennen – wirklich nicht unvorhersehbar über Berlin hereinbricht.
Das – legitime – Bedürfnis der Städte, sich mit ihren Kulturkonzepten darzustellen, wird schlicht ignoriert. Das zeigt: Es gibt einen Bruch zwischen der Zentralregierung und Landes- beziehungsweise kommunaler Ebene. Überraschend ist das zwar nicht. Aber unerträglich in einem föderalen System. Auch das lässt sich ganz leicht in die Form eines ewigwahren Aphorismus gießen: Macht macht arrogant.
Benno Schirrmeister