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Kein Wind, kein Aloha

Während die Profis beim Grandprix-Finale der Surfer auf den Wind warten, entspinnt sich ein sexistischer Streit ums liebe Geld  ■ Aus Hawaii Thomas Samboll

Windsurfen vor Hawaii – das ist der Traum von der grenzenlosen Freiheit in der Weite des Pazifischen Ozeans, vom Gleiten in tiefblauen, tropischen Gewässern. Die merkwürdigen Gestalten, die in unseren Breiten in schwarze Gummihäute gezwängt, mit einem Bügelbrett und einem Segel mit Griffleiste gegen den Wind ankämpfen, sucht man hier vergebens. Außer knallbunten Badeklamotten trägt man hier Body-Pur, natürlich so braungebrannt wie möglich. Mit High-Tech-Boards und perfekt getrimmtem Segeltuch wird der Ritt auf der Welle zum Wahnsinnstrip. Ekstatische Schreie begleiten Killer-Loop, Duck-Jibe und Power- Halse.

Soweit die Theorie. Doch aus dem großen Glück wird nichts ohne viel Wind. Und dem ist derzeit im Paradies die Puste ausgegangen. Die Surffreaks verfallen in diesen Tagen am Hokipa-Beach von Maui in tiefste Baggerseedepressionen. Im härtesten Revier der Welt, dem Wimbledon des Windsurfens, gibt es seit Beginn des Weltcups am vergangenen Sonnabend nur heiße Luft. Für die 130 Profis aus 21 Ländern, die sich hier zum großen Saisonfinale eingefunden haben, heißt es deshalb wieder einmal: warten. Warten auf Wind wie vor wenigen Wochen auf Sylt und wie schon insgesamt über dreißigmal während der diesjährigen Welttour. Dabei fielen drei Regatten völlig ins Wasser, und ein halbes Dutzend Wettkämpfe wurde an nur einem Tag entschieden.

Clive Webb, einem der Tour- Organisatoren, läuft deshalb selbst in der tropischen Hitze Mauis schon wieder ein kalter Schauer über den Rücken. „Niemals zuvor“, erinnert er sich, „war die Welttour der Windsurfer derart vom Wetterpech verfolgt wie 1992.“ Einige mögen da einfach nicht mehr mitmachen. So ging der Hawaiianer Mark Angulo, Ex- Champion am Hokipa-Beach, kurzerhand nach Hause. Nachdenklich blicken auch die deutschen Cracks auf den stillen Ozean. „Windsurfen ist beileibe nicht nur Spaß und lockeres Leben“, betont die Hamburgerin Christine Kuhn und rüttelt damit an einem weitverbreiteten Klischee. Die Welt der Windsurfer besteht in Wirklichkeit hauptsächlich aus Warten, auf das nächste Flugzeug, auf das nächste Rennen, vor allem aber auf den Wind. „Abwarten ist das, was wir die meiste Zeit des Jahres machen“, meint auch Ex-Weltmeister Robby Naish und fügt hinzu: „Es ist schon schwierig, sich zu motivieren, wenn man eigentlich mehr sitzt als surft.“ Vor allem aber läßt sich im Sitzen nur in wenigen Jobs Geld verdienen. Bei den „Aloha Classics“ vor Maui geht es immerhin um 180.000 Dollar Preisgeld, von denen die Aktiven nur ein Ausfallgeld bekommen, wenn die Veranstaltung platzt. „Money makes the world go round“, doch ohne Wind dreht sich im Surf-Zirkus letztlich gar nichts.

Das liebe Geld ist auch einer der Gründe dafür, daß die Frauen im Weltcup von ihren männlichen Kollegen nicht gern gesehen werden. Unter den 130 gemeldeten Profis bei den „Aloha Classics“ sind ohnehin nur 40 Frauen. Nach den Regeln der Selbstorganisation der Windsurfer (PBA) steht ihnen ein Drittel des Preisgeldes zu, das sind auf Maui genau 45.000 Dollar.

„Damit können wir leben“, meint Christine Kühn, „denn für uns ist es durch die geringe Teilnehmerzahl einfacher, in die Preisgeldränge zu kommen als für die Männer.“ Trotzdem ist ein erster Platz bei den Surferinnen von der Prämie her im Vergleich zu den männlichen Kollegen nur die Hälfte wert. „Das ist immer noch viel zu viel“, ereifert sich der deutsche Meister Dietmar Kornelli aus Geretsried, „die Hühner finden doch oft nicht mal die richtige Tonne.“ Nicht nur für ihn sind die Frauen im Weltcup fehl am Platze. Die Liste der Profi-Surfer, die offen oder unter der Hand für einen Ausschluß der Frauen eintreten, ist lang. Einer der prominentesten Vertreter ist Robby Naish, das Idol der Windsurf-Welt. „Früher war er mein Vorbild“, sagt auch Christine Kühn, „heute weiß ich, daß er einer der größten Machos überhaupt ist.“ Die Männer kritisieren vor allem die geringe Leistungsdichte im Frauensurfen. Mann will das viele Geld nicht mit einigen wenigen guten Frauen teilen. Fünf bis sechs Frauen wechseln sich auf den vorderen Plätzn ab, „dahinter ist ein großes Loch“, meint Dietmar Kornelli, „bei uns kann auch ein Robby Naish mal Dreißigster werden. Wir müssen uns den Erfolg hart erkämpfen, ständig am Material arbeiten, während die Frauen am Strand sitzen und sich um nichts kümmern.“ Das ist vielleicht auch gar nicht nötig. „Eine Frau wie Vize-Weltmeisterin Britt Dunkerbeck könnte trotzdem in der Spitzengruppe der Männer mitfahren“, hält Christine Kühn dem entgegen, „das wollen sie nur nicht wahrhaben.“

Auch das Welt-Cup-Finale im Windsurfen am Strand von Maui ist ein Spiegelbild gesamtgesellschaftlicher Probleme, warum sollte es auch ausgerechnet hier anders sein. Der tropische Traum zerplatzt vor Ort wie eine Seifenblase. Wie lautet doch das Fazit der US-Wahlkämpfer in diesen Tagen nach einer Vielzahl von verbalen Schlammschlachten auch auf Hawaii? „There is no more Aloha.“ Das polynesische Wort für Liebe, Wärme, Frieden ist hier kaum noch von Bedeutung. Auch die „Aloha Classics“ 1992 sind wohl nur noch klassisch.

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