: Kein Stauraum als Stellplatz
■ Sinti und Roma lehnen neues Quartier in Dreilinden ab und wollen in Tiergarten bleiben / Neuer Stellplatz hätte 1991 geräumt werden müssen
Tiergarten. Der Reichstag bleibt in Gesellschaft. Die Roma- und Sinti-Familien, deren Wohnwagen zur Zeit auf den Wiesen beidseitig der Entlastungsstraße sowie am Spreebogen stehen, haben den ehemaligen Stauraum in Dreilinden als neuen Stellplatz abgelehnt.
Das Verhandlungsergebnis zwischen der Senatorin für Jugend, Frauen und Familie, Anne Klein, Vertretern der Polizei und der Berliner Sinti-Union (siehe taz von gestern) ist damit vorerst hinfällig. Diese Runde war Montag nachmittag angesichts eines Räumungsultimatums des Bezirksamtes Tiergarten eilig einberufen worden. Auf Dreilinden als Stellplatz konnte man sich schnell einigen, auch die für das Gelände zuständige Senatsumweltverwaltung zog mit. Montag abend sollte der Umzug nach Zehlendorf beginnen, doch der Wohnwagen-Konvoi kam gar nicht erst ins Rollen. Zu nahe an der Autobahn, zu viel Asphalt und zu wenig Grün für die Kinder, erklärten die Sippenältesten, nachdem sie das neue Quartier in Augenschein genommen hatten. Des einen Leid gereicht in diesem Fall dem anderen zur Genugtuung. Tiergartens Bezirksbürgermeister Wolfgang Naujokat (SPD) wäre die fahrenden Familien gerne losgeworden, sein Zehlendorfer Amtskollege Jürgen Klemann (CDU) hatte bei Bekanntgabe des neuen Stellplatzes schon geschnaubt und erklärt, das „Zigeunerlager“ allenfalls befristet, aber keinesfalls als Dauerlösung dulden zu wollen.
Offensichtlich waren sich die Vertreter der Sinti-Union bei ihrem Gespräch mit dem Senat zu sicher, daß die Roma- und Sinti-Familien den Lösungsvorschlag akzeptieren würden. Senatorin Klein war wiederum ahnungslos, daß der neue Stellplatz bereits 1991 wieder hätte geräumt werden müssen dann nämlich will die Senatsumweltverwaltung das Gelände aufforsten. Laut Senatorin Klein stehe der Stellplatz auch weiterhin zur Verfügung.
Vor allem die Roma-Familien, die wie die Sinti, aus Westdeutschland kommen, wollen vorerst bleiben - der Ausblick auf den Reichstag stört sie da weniger als Massenspektakel wie vor kurzem die Aufführung von „The Wall“, deren Müll-Erbe man noch immer auf den Wiesen sehen kann.
Nach Angaben von Mario Rosenberg, Geschäftsführer der Sinti -Union, haben die Sinti und Roma dem Bezirksamt Tiergarten angeboten, Kosten für Reinigung und Instandhaltung der Rasenflächen zu übernehmen. Rosenberg hofft weiter auf eine gütliche Lösung, allerdings unter der Voraussetzung, „daß die Sinti und Roma jetzt für sich selber sprechen“.
anb Siehe auch Interview nächste Seite
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen