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„Kein Ruhmesblatt der Nato“

■ Trotzdem läuft die Zusammenarbeit der Allianz mit der Türkei wie geschmiert

Berlin (taz) — „Die Türkei bereitet uns hier eine Menge Bauchschmerzen“, bekannte ein hoher Nato- Mitarbeiter dieser Tage in der Brüsseler Zentrale. Die Außerkraftsetzung von Grundrechten, das brutale Reinschlagen und -schießen von Polizei und Militärs in Demonstrationen, die Folter in Polizeigefängnissen sowie die Entführungen und nie aufgeklärten Morde an Oppositionellen — allesamt Praktiken der türkischen Regierungen — sind in dem Militärbündnis seit Jahren bekannt. Schon 1949 in der Präambel ihres Gründungsvertrages hatten sich die Nordatlantiker zudem die Gewährleistung von „Demokratie, Freiheit der Person und Herrschaft des Rechts“ zur Aufgabe gemacht. Doch trotz der hehren Absichten haben die Nato-Partner bislang nichts Erkennbares gegen die notorischen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei ausgerichtet. Im Gegenteil: Die Zusammenarbeit mit dem strategisch wichtigen Land an der Südostflanke der Allianz läuft wie geschmiert — Waffenlieferungen inklusive.

Allein zwischen 1986 und 1990 gingen Rüstungsgüter im Wert von 4,37 Milliarden US-Dollar in die Türkei, ermittelte das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI. Der größte Anteil davon kam aus den USA (2,179 Milliarden Dollar), an zweiter Stelle rangiert die Bundesrepublik (1,245 Milliarden Dollar), gefolgt von Großbritannien und den Niederlanden. Die Bundesrepublik nimmt in der Allianz eine „Partnerschaft“ gegenüber dem finanzschwachen Land wahr: Im Rahmen der „Nato-Verteidigungshilfe“ liefert Bonn alljährlich gebrauchtes und neues Bundeswehrmaterial im Wert von knapp 100 Millionen DM nach Ankara, darunter Panzer, Gewehre und Kommunikationselektronik. Neuerdings bestückt Bonn sein „Patenkind“ auch mit Kalaschnikows, Luft-Boden-Raketen und Stahlhelmen aus alten NVA-Beständen — ebenfalls unentgeltlich.

Ein einziges Mal nur legte Bonn einen Teil der Militärhilfe mit dem eher symbolischen Wert von 25 Millionen DM vorübergehend auf Eis — das war Ende vergangenen Jahres, als die türkische Luftwaffe Ziele im Nordirak angriff. Die Bombardements halten zwar an, doch weder Bonn noch irgendein anderes Nato-Land haben deswegen weitere Sanktionen gegen die Türkei verhängt. Wer in Brüssel nachfragt, warum die Nato ihre Partnerin nicht davon abhält, die Militärgeräte der Allianz gegen Zivilisten — und dazu noch meist im eigenen Land — einzusetzen, hört ganz unterschiedliche Einschätzungen. Während einige deutsche Nato-Bedienstete Verständnis für die Regierung in Ankara zeigen — „Die Türkei hat ein Kurdenproblem am Hals“ — äußern sich andere durchaus nachdenklich: „Nicht alles, was in der Türkei seit Beginn ihrer Mitgliedschaft geschehen ist, ist ein Ruhmesblatt der Nato.“ Namentlich will jedoch niemand genannt werden. Derartige Äußerungen gelten als Einmischung in „innere Angelegenheiten von Mitgliedsländern“, die Nato sei aber nur ein Verteidigungsbündnis gegen Angriffe von außen.

Als die größte mögliche Einmischung in innere Angelegenheiten gelten in Nato-Kreisen Gespräche hinter verschlossenen Türen. Dabei könne man auch schon mal den Finger in die Wunden der anderen legen, meint ein deutscher Militär am Brüsseler Nato-Sitz. Wenn er mal Klartext reden wolle, dann sage er seinen türkischen Gesprächspartnern: „Terroristische Probleme haben wir überall in der Welt zu bekämpfen, aber ob man dazu unbedingt eine F-104 nehmen muß, wage ich zu bezweifeln.“ Dorothea Hahn

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