Kommentar: Kein Paradies
■ Mehr Demokratie: Schön, daß die SPD sich ärgert. Aber was bringt's sonst?
Der Erfolg der Initiative muß einen schon deshalb erfreuen, weil er die SPD ärgert. Mit Zähnen und Klauen verteidigten die Genossen ihre Ansicht – derzeit geltendes Recht – und verkündeten, daß mehr direkte Bürgerbeteiligung der repräsentativen Demokratie zuwiderlaufe und zum politischen Chaos führe. Das Unbehagen drückt nicht nur Mißtrauen gegenüber den WählerInnen aus. Die SPD ist auch ein wenig beleidigt, daß das Volk – trotz Schröder! – nicht einsieht, daß seine Interessen bestens durch die Sozialdemokratie vertreten sind.
Dennoch kommt mehr direkte Mitbestimmung nicht dem demokratischen Himmel auf Erden gleich. Größter Schwachpunkt der Volksgesetzgebung: Minderheitenschutz. Ist es beispielsweise akzeptabel, eine Seniorenwohnanlage für Lesben und Schwule oder eine Flüchtlingsunterkunft für Sinti und Roma abzulehnen, nur weil die Mehrheit der Bevölkerung es wünscht?
Auch über die Bürgerinitiativen sollte man sich keine Illusionen machen: Nicht selten stört es die Betroffenen vor allem, daß eine Mülldeponie, Autobahn oder Bahntrasse vor ihrer Haustür gebaut werden soll. Schwerer hätten es unpopuläre Meinungen allemal: jede „autofeindliche“Entscheidung könnte mittels Volksentscheid flugs gekippt werden.
Und das Mühlenberger Loch? Zuschütten! Und so würde man sich womöglich bei so mancher Entscheidung wider die Ökodiktatur damit trösten müssen, daß es der Demokratie sicher zuträglich war, daß alle mal darüber geredet haben.
Silke Mertins
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