: Kein Ort für Töpfers Kinder?
Die Beton-Ödnis muß jeden Besucher aus dem beschaulichen Bonn bedrücken. Doch Bundesbauminister Klaus Töpfer (CDU) ist Diplomat genug, dies nicht zu zeigen. Gestern stellte der Bezirksbürgermeister von Marzahn, Andreas Röhl (SPD), dem Minister den Plattenbau-Bezirk vor. Der Politiker aus Bonn erging sich in Worthülsen über die „Modernisierung und Sanierung“ des Bezirks. Einmal jedoch rutscht ihm ein klares Bekenntnis heraus. Vor dem Neubau-Skelett des „Havemann- Centers“ antwortet er auf die Frage, ob er hier leben wolle, mit einem Nein. Seine Familie sei zu groß für die kleinen Wohnungen, schiebt er nach. Da weist der Bauleiter des Centers nach oben: „Dort wird eine Wohnung mit 130 Quadratmetern fertig – vielleicht für Sie.“ Der sprachgewandte Politiker ist zwei Sekunden sprachlos.
Fast drei Stunden dauerte die Fahrt durch den Bezirk. Der Politiker hat sich vorgenommen, zuzuhören. Er sei ein Typ, der sich gerne vor Ort umsieht, bevor er ein Urteil fällt. So sitzt er im Bus weit vorne und lauscht den Ausführungen des Bürgermeisters, der aber nach einiger Zeit nichts zu sagen weiß. Es ist eine trostlose Fahrt. Auf Bürger trifft Töpfer so gut wie nicht. Eine Frau, auf dem Weg ins Rathaus, wird auf den Treppen abgefangen und begrüßt. Die Kameras surren, die Blitzgeräte leuchten, nach zwei Minuten ist alles vorbei. Vor der Fahrt hat er dafür geschwärmt, alles zu tun, damit solche Regionen wie Marzahn akzeptiert werden. Er wolle mithelfen, die Stadtumwelt zu verbessern. Marzahn sei kein nachösterlicher Termin, sondern eine Herausforderung an ihn. Töpfer sagte, daß die Mieten sozialverträglich gestaltet werden müßten, damit die Einheit gelinge. Doch bei Interviews nach zwei Stunden gibt sich der Minister zugeknöpft und führt Konkretes nicht mehr im Mund. Im Bonner Paradies spricht es sich leichter als in Marzahn.Rafael Pilsczek
Foto: Andreas Bastian/G.A.F.F.
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