Frisch verlegt: Kein Krimi über Bohnen
■ „Bremen, Schlüssel zur Dritten Welt“
Der Schatzkasten, aus dem Bremer Kaufleute und Unternehmen ihren Reichtum schöpfen, ist gigantisch groß: Er reicht von Sibirien bis zum Sudan. Kaffee, Tropenholz, Futtermittel, Baumwolle, Tabak – wer den Schlüssel zur Vermarktung in Händen hält, sitzt auf der Gewinnerseite. Was das für die Erzeuger bedeutet, zeigt die Neuauflage von „Bremen – Schlüssel zur Dritten Welt“.
Allerdings wird durch mangelndes Lektorat eine kurzweilige Lektüre verhindert. Statt endlich den Krimi „Braune Bohne“ über das Preisdiktat des Nordens zu schreiben, werden Welthandelsbeziehungen allzu nüchtern dargestellt. Selbst die Drahtzieher der Handelshäuser Lahusen (Wolle) oder Gildemeister (Mineralien) verschwinden gesichtslos hinter Verwaltungstätigkeit und Umsatz. Hatten sie persönlichen Ehrgeiz oder waren sie bloße Erfüllungsgehilfen ihrer Clans? Kaum anschauliche Antworten.
Bei allen Einschränkungen: Das Buch ist thematisch umfassend. Die althergebrachten Lehrbeispiele von der Ausbeutung durch ungleiche Welthandelsstrukturen wurden aktuell ergänzt. Neben der ewigen Banane, dem Kaffee, dem Tropenholz und dem Geschäft mit den Waffen stehen nun Auswanderung, Asyl und die Container-Revolution. Und da, endlich, erfährt die Leserin doch noch, wie Wirtschaftsmacht auf Menschenleben wirkt. Denn der Bericht über eine iranische Familie, die in Bremen lebt, macht anschaulich, wie Rücksichtslosigkeit sich in Rassismus steigert.
Daß die Frage nach dem Warum sich an vielen Stellen im Buch aufdrängt, macht es für den Schulunterricht nützlich. Ebenso sein Bremenbezug. Zwar werden nicht alle Fragen beantwortet, die durch die Lektüre geweckt werden, denn Systematik ist keine Stärke der Textsammlung. Aber die entscheidende Neugier dürfte sich durch die Themenzusammenstellung dennoch ergeben: Warum fahren Bremer Kaffeebohnen mit dem Logistik-Zug auf der Ökoschiene in deutsche Verteilerzentralen – während Seeleute aus Asien, Indien und Lateinamerika auf schrottreifen Schiffen anheuern müssen, um die Bohne herzubringen? Und: wie kommt der in Stein gehauene Schäfer oben ans Finanzamt? Wer brachte hier sein Schäfchen ins Trockene? Schon vom Wollhaus Lahusen gehört?
Eva Rhode
„Bremen – Schlüssel zur Dritten Welt“, Agipa-Press-Verlag, Bremen. Herausgeber: Dritte Welt Haus e.V. Buchtstraße, Preis: 19,80 Mark
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen