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Kein Karneval, keine Viererkette

■ Mit einer Parade startet heute das achte portugiesische Kulturfest

Eine Kunsthalle ist kein Atelier und ein Gewerbemuseum nur in seltenen Fällen eine Werkstatt. Was kann ein Museum für Völkerkunde heute verkünden? Eine Möglichkeit ist, Kristallisationspunkt für die Identitätsfindung von Volksgruppen zu werden, die inzwischen nicht mehr irgendwo in der Ferne aufgesucht werden müssen, sondern hier in unserer Stadt leben. Mit der traditionsreichen portugiesischen Gemeinde in Hamburg, mit etwa 11.000 Mitgliedern die größte in Deutschland, scheint das gelungen. Seit 1992 haben der Sozialdienst der Caritas und das Museum für Völkerkunde in Zusammenarbeit mit zahlreichen Migrantenvereinen im „Arraial Português“ eine wirksame Plattform geschaffen.

Gab es vor zwanzig Jahren noch lange Diskussionen darum, wie sogenannte einfache Leute ins Museum gelockt werden können, hat es nun zumindest ein Museum dieser Stadt geschafft, sogar als Motor des Kulturtransfers zwischen den Generationen der Eingewanderten und der Hiergeborenen zu dienen. Denn in den aufwendigen Vorbereitungen haben Familien Forschungen im Mutterland aufgenommen oder vermitteln hier den Jüngeren in Kursen volkskundliche Fragestellungen. Das wird auch in Portugal selbst amtlicherseits geschätzt: Seine Exzellenz José Lello, der Staatssekretär für die portugiesischen Gemeinden im Ausland, hat sein persönliches Erscheinen zwar versprochen, musste es aber dennoch kurzfristig auf nächstes Jahr verschieben.

Während das achte portugiesische Kulturfestival an diesem Samstag um 11 Uhr mit einer Parade von St. Georg über den Gänsemarkt zum Museum beginnt, laufen im Hintergrund bereits Gespräche, Ähnliches mit der verschiedenen Staaten angehörenden Gruppe der Kurden zu realisieren. Trotz einem Konzert einer Blechmusikkapelle aus Cadaval auf dem Gänsemarkt (Samstag 12 Uhr) ist das alles kein Karneval der Kulturen wie in Berlin, sondern ein komplexes Kulturfest für Portugiesen und Portugalbegeisterte mit Filmen und Literaturlesungen, aber eben auch mit Stierkampfübungen, Fado, Wein, originaler Küche und Fandango-Tanz. Unter dem diesjährigen Motto „Ao longo do Tejo“ steht die eher flache Flusslandschaft im Zentrum, die sich von der spanischen Grenze bis zur Mündung bei Lissabon hinzieht und deren Hauptstadt Santarem ist.

Bei alledem ist das Museum für Völkerkunde nicht so blindbegeistert, dass es die übermächtige Konkurrenz durch international geschätzte Ballspiele vergisst: Da sowohl Portugal, wie auch Deutschland am Wochenende Spiele haben, ist auch für die Übertragung der Fußball-Europameisterschaft im großen Hörsaal gesorgt.josch

Museum für Völkerkunde, Eröffnung: Samstag 13.30 Uhr, Abschlussveranstaltung: Sonntag, 17 Uhr

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