: Kein Gatt-Paket zu Ostern
Der Termin für's Gatt-Abkommen wird verschoben/ Genfer Unterhändler erwarten keinen Durchbruch von Kohls Gesprächen mit US-Präsident Bush ■ Aus Genf Andreas Zumach
Wenn jemand im Rahmen internationaler Verhandlungen eine selbst gesetzte Frist auf einmal nicht mehr wahrhaben will, ist dies ein sicheres Anzeichen dafür, daß der Termin nicht eingehalten wird. Er habe niemals von Ostern als dem letztmöglichen Datum für ein neues Abkommen zur Liberalisierung des Welthandels gesprochen, läßt Arthur Dunkel, Generalsekretär des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens Gatt, dieser Tage in Genf verbreiten. Und setzt zugleich eine neue Frist: Entscheidend sei, daß bis zum 1.Januar 1993 ein Ergebnis der Verhandlungsrunde vorliege.
Entgegen seiner jetzigen Behauptung hatte Dunkel im Dezember jedoch sehr wohl den Termin Ostern als letzte Chance für eine Einigung der Gatt-Verhandlungen genannt — rechtzeitig vor der heißen Phase des US-Wahlkampfes. Damals hatten sich die 108 Teilnehmerstaaten nicht über die Agrarsubventionen und den Handel mit Dienstleistungen einigen können. Dunkel legte daraufhin einen eigenen Vertragsentwurf mit Kompromißformulierungen auf den Tisch. Zugleich verpflichtete Dunkel die Verhandlungsteilnehmer, bis 1.März schriftlich zu erklären, welchen Zugang auf ihren heimischen Markt sie Importen künftig zu gewähren bereit sind; aufgeschlüsselt nach allen Agrar- und Industrieprodukten, mit denen international gehandelt wird.
Auf Basis dieser Listen sollten nach Vorstellung des Gatt-Generaldirektors die Schlußverhandlungen geführt werden mit dem Ziel, bis zum 30.März für jedes einzelne Produkt einen Kompromiß zu finden. Der Fahrplan ist schon jetzt nicht mehr einzuhalten. Bis zum 1.März legte ein einziger Verhandlungsteilnehmer sein Angebot auf den Genfer Gatt-Tisch. Bis gestern waren in Dunkels Büro weniger als die Hälfte aller verlangten Unterlagen eingetroffen. Viele Staaten legten unvollständige Listen vor. Am größten sind die Lücken beim größten Streitpunkt, dem Agrarbereich, der vor allem zwischen EG und USA umstritten ist. Ohne eine Einigung über den Abbau von Agrarexportsubventionen, interne Beihilfen an die Bauern und Marktzugangsbedinungen wird es kein Gatt-Abkommen geben.
Die Meldungen, Bundeskanzler Kohl wolle bei seinen heute beginnenden Gesprächen mit US-Präsident Bush doch noch ein Gatt-Abkommen bis Ostern sicherstellen, werden deshalb bei Genfer Unterhändlern und Beobachtern mit allergrößter Skepsis registriert. Zunächst einmal ist Kohls Vorschlag, mit dem er angeblich den gordischen Gatt- Knoten durchhauen will, nichts Neues: über ein Einfrieren der US- Einfuhren von Futtermittelsubstituten in die EG und im Gegenzug eine mengenmäßige Begrenzung der EG- Agrarexporte in die USA — darüber ist in den vergangenen Monaten schon mehrfach diskutiert worden — ohne jedes Ergebnis.
Erwartet wird von den Gesprächen auf höchster Ebene deshalb eine Formel, mit der der Ostertermin elegant verschoben wird. Ein neuer Termin müßte auf jeden Fall nach den US-Präsidentschaftswahlen Anfang November liegen. Vielleicht läßt sich dann ja doch noch Arthur Dunkels jüngste Frist, der 1.Januar 1993, für ein Abkommen einhalten.
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