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Kein Erbarmen mit Asylbewerbern

■ Im Grenzdurchgangslager Friedland werden Asylanten miserabel versorgt / Lagerleiter fordert in offenem Brief Bevölkerung zur Denunziation auf / Niedersachsens Grüne fordern seine Ablösung

Aus Friedland Reimar Paul

Die umgehende Entfernung von Matthias Marquardt aus seinem Amt als Leiter des Grenzdurchgangslagers Friedland fordern die Grünen im niedersächsischen Landtag. Als Grund nennen sie die „für Asylbewerber katastrophale Lebenssituation“ im Lager und vor allem einen Brief Marquardts, in dem die Bevölkerung zur Denunziation aufgefordert wird. Sie soll diejenigen Asylanten, „die zwischen Dein und Mein nicht unterscheiden können“ bei der Polizei und Ausländerbehörde anzeigen. In Begleitung örtlicher Parteiprominenz hatten Mitglieder der Landtagsfraktion der Grünen am Donnerstag das Grenzdurchgangslager besucht. Wo man früher nur die Aussiedler aus osteuropäischen Ländern empfing, beköstigte, verhörte und weiterschleuste, werden seit ca. zwei Jahren auch Asylbewerber vorübergehend untergebracht. Für ihre Betreuung - die Zahl schwankt zwischen 150 und 500 - sind fünf Sozialarbeiter auf ABM– Basis eingestellt. Einer von ihnen wurde unmittelbar nach dem Grünen–Besuch zur Kündigung aufgefordert, weil er auf die völlig unzureichende Versorgung der Asylanten mit Kleidung und Hygiene–Artikel hingewiesen hatte. Während ihres ein– bis zweiwöchigen Aufenthaltes in Friedland erhalten die Flüchtlinge außer drei täglichen Mahlzeiten und einer Schlafstelle tatsächlich nichts. Die umfangreichen Kleiderspenden, die ständig eintreffen, „sind nur für die Aussiedler gedacht“, wie eine Lagerangestellte erklärt. In einer Baracke warten zwei indische Männer seit zehn Tagen auf ein Paar Socken, um wenigstens an einem Spaziergang durch das verregnete Dorf teilnehmen zu können. Daß sie häufig nicht einmal Seife erhalten, wird mit den „anderen Waschgewohnheiten“ der Asylbewerber begründet. Außerdem: „Die Toiletten werden auch nicht so benutzt, wie man das gewohnt ist.“ Die größten Klagen führen Betroffene und Sozialarbeiter über die medizinische Betreuung und mangelndes Freizeitangebot. Eine Ärztin steht nur „in dringenden Fällen“ morgens zwischen sieben und acht Uhr zur Verfügung. „Meldungen über Typhus, offene TBC, Ruhr und Windpocken werden von der Lagerleitung ignoriert und totgeschwiegen“, berichtete ein Lagermitarbeiter der taz. Der Lagerkindergarten ist den Aussiedlerkindern vorbehalten. Seit Monaten torpediert Lagerleiter Marquardt zudem erfolgreich die Anweisung der Landesregierung, den Asylbewerbern ein Minimum an Sport– und Spielgeräten zur Verfügung zu stellen. Als schließlich eine verbeulte Tischtennisplatte in einem Schuppen aufgestellt war, gab es keine Schläger. „Vollkommen untragbar“ als Lagerleiter ist Marquardt für die Grünen durch den eingangs zitierten Brief geworden. In dem im Mitteilungsblatt Bürger und Gemeinde veröffentlichten Schreiben wird u.a. bedauert, daß „diese Menschen (gemeint sind die Asylbewerber) das Recht haben, sich im gesamten Landkreis Göttingen frei zu bewegen.“ „Leider“, so heißt es weiter, ließe sich nicht verhindern, daß sich Personen darunter befänden, „die in die Rechts– und Eigentumssphäre Dritter unbefugt eindringen und auch so manchen Schaden anrichten.“ „Bzgl. einer Beschränkung ihrer Bewegungsfreiheit - z.B. Umsetzung, Abschiebung, Bestrafung -“ habe das Lager keine Kompetenz. „Wir können - wie Sie - nur die Polizei und die Ausländerbehörde informieren, Strafanzeige erstatten und beim Auffinden von Personen helfen, die einer Straftat verdächtigt werden. Diese Hilfe ist das einzige, was ich auch Ihnen anbieten kann...“ Als „gelinde gesagt, nicht frei von ausländerfeindlichen Ressentiments“ wertete Landtags–Grüner Jürgen Trittin auf einer Pressekonferenz die Äußerungen Marquardts. Der zuständige Minister Jürgens solle umgehend dafür Sorge tragen, „daß der Lagerleiter abgelöst wird“.

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