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■ Frankreich-Wahl: Die siegreichen Linken sind keine GewinnerKein Anlaß zu Jubel

Wenn gut die Hälfte der Franzosen wählen geht und davon wiederum gut ein Drittel für das rot-rosa- grüne Bündnis votiert, dann kann man das, wie Premierminister Lionel Jospin es getan hat, ein „eher ermutigendes Ergebnis“ nennen.

Man kann Jospin folgen. Aber man muß nicht. Wer die Zahlen des Wahlergebnisses vom Sonntag etwas genauer betrachtet, kommt zu dem Ergebnis, daß die drei großen Parteien der französischen Linken tatsächlich nur knapp 8 Millionen Stimmen der insgesamt 38 Millionen wahlberechtigten Franzosen bekommen haben. Die beiden konservativen Parteien RPR und UDF, aus deren Reihen der Staatspräsident kommt, haben es mit vereinten Kräften auch nur auf knapp 7 Millionen Stimmen gebracht. Gleichzeitig haben 3,4 Millionen Franzosen eine Partei der extremen Rechten gewählt, die die „nationale Präferenz“ predigt und in den von ihr regierten Städten auch praktiziert und deren Chef noch am letzten Tag der Kampagne demonstrativ einen Kranz am Grab des antisemitischen und negationistischen Vordenkers François Duprat niedergelegt hat.

Zu Jubel besteht also kein Anlaß. Eher zu großer Sorge um das gestörte Vertrauen der Franzosen in ihr System und in die Parteien, die es seit Jahrzehnten getragen haben: Nie war die Wahlbeteiligung in Frankreich so niedrig wie dieses Mal. Nie haben die traditionellen Parteien insgesamt so schlecht abgeschnitten. Nie haben die Rechtsextremen so viele Stimmen bekommen. Und nie zuvor kam ihnen eine derartige Schlüsselrolle im politischen Geschehen des Landes zu.

Die Front National geht als einzige Partei gestärkt aus den Wahlen hervor. Sie ist jetzt nicht nur in vielen Regionen das Zünglein an der Waage. Sondern sie kann auch entscheidenden Einfluß auf die anstehende Neuformierung der französischen Rechten nehmen. Jene Kräfte in RPR und UDF, die statt einer Ausgrenzung der Front National eine verstärkte Zusammenarbeit mit ihr suchen, werden jetzt auftrumpfen.

Möglicherweise sind sie nicht die einzigen. Im vergangenen Wahlkampf vermieden die Rot-Rosa-Grünen deutlich die Auseinandersetzung mit der Front National. Statt dessen nutzten sie die Rechtsextremen als politisches Argument gegen ihre konservativen Gegner RPR und UDF. Wollen die französischen Linken die Rechten in die Arme der Rechtsextremen treiben? Dorothea Hahn

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