Kein Alkohol in Hamburgs ÖPNV: Trink nicht in Bus und Bahn
Nun wird hart durchgegriffen: Wer in Hamburgs Bussen und Bahnen säuft, muss fortan mit Ärger und Bußgeld rechnen. Aber was soll das Verbot bringen?
HAMBURG taz | Hamburg nimmt den Kampf auf gegen den Alkohol. In öffentlichen Verkehrsmitteln dürfen ab heute keine Getränke mehr konsumiert werden, die dafür sorgen können, dass Leute ausrasten und alle Konventionen vergessen: dass sie in die Ecke urinieren, über Sitzbänke kotzen, Menschen anlallen oder verprügeln. Wer gegen das Alkoholverbot verstößt, wird zunächst nur verwarnt. Ab dem 1. Oktober aber muss der Kriminelle mit einer Buße von 40 Euro rechnen. Aber warum eigentlich?
Die bisherige Regelung, besoffene Krawallanten nicht befördern zu müssen, genügt offenbar nicht mehr. Nun soll das Übel an der Wurzel gepackt werden. Der Hamburger Verkehrsverbund stellt 110 zusätzliche Sicherheitskräfte ein, um das Alkoholverbot durchzusetzen. Insgesamt sollen mehr als 500 Fahrkartenkontrolleure und Sicherheitsmitarbeiter nicht nur Tickets überprüfen und Präsenz markieren, sondern mit Auge und Nase gegen die Ethanolgefahr vorgehen. Nichts nützen soll es, den Schnaps zur Tarnung in eine Flasche Fanta abzufüllen, kündigt ein Sprecher des Verkehrsverbundes an.
Auch in anderen Städten ist es verboten, in Fahrzeugen des öffentlichen Verkehrs Alkohol zu konsumieren. In München oder Frankfurt werden aber keine Bußgelder ausgesprochen. In Berlin ist Alkohol im öffentlichen Nahverkehr erlaubt, weil es zum "Lifestyle" der Stadt gehöre, wie ein Sprecher des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg sagt. In Hamburg soll das anders sein. Das Alkoholverbot ist der bisher letzte Schritt der Offensive einer Stadt, die sich säubern will: weg mit Bierflaschen, weg mit Kippen, weg mit Pennern und Obdachlosen. Was das Erscheinungsbild stört, wird verfolgt.
Seit Sommer 2009 darf auf der Reeperbahn, der weltweit bekannten Sündenmeile der Stadt, am Wochenende nur noch aus Pappbechern getrunken werden. Das Polizeiaufgebot ist derart groß, dass sich alle an die Regel halten. Gegen das Passivraucherschutzgesetz wurden allein im vergangenem Jahr 338 Verstöße festgestellt. Denn in Hamburg darf in Gaststätten, die auch Speisen anbieten, nicht geraucht werden.
Obdachlose haben hier einen besonders schweren Stand. Schon vor Jahren hat die Stadt mit klassischer Musik aus Lautsprecherboxen versucht, Obdachlose und Junkies aus dem Hauptbahnhof zu vertreiben. Die Wohnheime sind im Winter so überfüllt, dass die Stadt die Bedürftigen auch mal in einem Bunker einquartiert. Ausländische Obdachlose werden auch im Sommer nach drei Nächten aus den Notunterkünften geworfen. Für Touristen habe man keinen Platz, sagt die Sozialbehörde.
In diesem Jahr trägt Hamburg den Titel der europäischen Umwelthauptstadt. Da kann man nichts gebrauchen, was den Ruf des sauberen Hanseaten trübt. Allem Dreckigen, Stinkenden, Hässlichen wird der Kampf angesagt. So bleibt auch alles Spannende auf der Strecke - und der Alkohol auch.
Der Moment, in Hamburg vom Ende der Spaßgesellschaft sprechen zu müssen, ist mit derlei Maßnahmen nicht mehr fern. Infrage gestellt wird aber auch die Mündigkeit der Bürger. Die große Mehrheit kann selbst abschätzen, wo alkoholgetränkte Partys angebracht sind. Und eigentlich weiß auch ein jeder, dass auf den Mitmenschen Rücksicht genommen werden sollte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich