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■ KommentarKehrseiten

Eigenartig. Woher kommt bloß das Vorurteil, Prince Charles sei ein nachdenklicher Mann, dessen gute Erziehung liberale Früchte trage. Umso überraschender das böse Erwachen, als der königliche Besuch gestern seine Erkenntnisse zum Wesen des Krieges kundtat. Denn er hat es nicht verstanden, dieses „unerklärliche Paradox“.

Demnach brechen Kriege wohl völlig überraschend aus. Einer Naturgewalt gleich ist er plötzlich da, der Krieg. Von allen irgendwie gar nicht gewollt. Unerklärlich eben.

Es gehören schon einige unerklärliche Gedankengänge dazu, in einem Krieg auch das Kreative sehen zu können; welche „höchsten Höhen“ des menschlichen (Kriegs-)Denkens, welchen „großen persönlichen Mut“ oder welche „selbstlose Aufopferung“ mag der Mann wohl gemeint haben? War die besonders effektive Vernichtung der jüdischen Bevölkerung etwa eine kreative Kriegslist? Oder der Überfall auf Polen ein militärischer Schachzug, der von „höchsten Höhen“ menschlichen Denkens zeugt? War die Unterdrückung in den von der Wehrmacht besetzten Gebieten von selbstloser Aufopferung deutscher Soldaten geprägt?

Der königliche Brite mag ja die eigenen Kriegsveteranen mit derlei Zitaten ehren können. Die Militärs aller Beteiligten am 2. Weltkrieg jedoch in gleicher Weise mit den Worten „Mut“ oder „Aufopferung“ zu bedenken, ist allerdings ziemlich daneben gegriffen. Zerstörung und Schrecken sind nicht die Kehrseite des Krieges, sondern dessen vorrangiges Ziel.

So sind die „höchsten Höhen“ menschlichen Denkens im Kriegsfall immer auch eine „tiefste Tiefe“. Und der Prince of Wales mit seinem Sinnieren über das „Paradox“ Krieg wohl eher der Prince of Wars.

Silke Mertins

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