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Kazulin in FreiheitOppositioneller in Minsk freigelassen

Der ehemalige weißrussische Präsidentschaftskandidat Alexander Kazulin ist offenbar vorzeitig auf freiem Fuß.

Alexander Kazulin, zweiter von rechts, auf einem Werbeplakat zur Präsidentenwahl 2006. Bild: dpa

BERLIN taz Der weißrussische Oppositionspolitiker Alexander Kazulin ist am Samstag aus dem Gefängnis entlassen worden. Das berichten übereinstimmend das weißrussische Internetportal Naviny.by und die Homepage des Oppositionellen. Kazulin, der im März 2006 als sozialdemokratischer Kandidat gegen Präsident Alexander Lukaschenko angetreten war, war im Juli des gleichen Jahres zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Der langjährige Direktor der Universität Minsk, der früher verschiedene Funktionen im weißrussischen Bildungsministerium bekleidete, hatte zu einer Demonstration vor einem Gefängnis aufgerufen, in dem inhaftierte Oppositionspolitiker einsaßen. Dies, so das Gericht, sei "Rowdytum" und habe die öffentliche Ordnung beeinträchtigt.

Ende 2006 hatte Kazulin mit einem 53-tägigen Hungerstreik weltweit für Aufsehen gesorgt. Mit der Aktion wollte er auf die Gesetzlosigkeit und das Unrecht in Weißrussland aufmerksam machen. Es war seine Frau Irina Kazulina, die damals regelmäßig Journalisten über den Zustand ihres Mannes informierte. In nur acht Monaten Haft, so Irina Kazulina damals, habe ihr Mann 30 Kilo abgenommen. Sein Gesundheitszustand sei besorgniserregend. Es folgten Reaktionen der finnischen Regierung, die die EU-Ratspräsidentschaft innehatte und die Freilassung des politischen Gefangenen forderte.

Ein zweites Mal war Kazulin nach dem Tod seiner krebskranken Frau am 23. Februar dieses Jahres in den Hungerstreik getreten, als ihm die Behörden zunächst eine Teilnahme am Begräbnis verweigerten. Kazulin setzte sich durch und erhielt einen dreitägigen Hafturlaub.

Am Samstagmorgen legten die Strafvollzugsbeamten dem Häftling die Begnadigungsurkunde vor. Kazulin, der ein Gnadengesuch als Schuldeingeständnis immer abgelehnt hatte, weigerte sich, die Urkunde zu unterzeichnen. Ebenfalls am Samstagmorgen hatte Olga Kazulina, die Tochter des Oppositionspolitikers, die Strafvollzugsbehörden vom Tod ihres Großvaters unterrichtet. Die Behörden hätten innerhalb weniger Stunden entschieden, Kazulin für die Beerdigung freizulassen.

Angesichts der Weigerung Kazulins, die Begnadigungsurkunde zu unterzeichnen, sei nicht klar, so die weißrussische Internetagentur Naviny.by, ob Kazulin nun endgültig freigelassen sei oder wieder nur einen mehrtägigen Hafturlaub erhalten habe.

Doch es ist offensichtlich, dass die Behörden derzeit um das Wohlwollen Brüssels und Washingtons werben. Sicherlich würde es das Image von Weißrussland beeinträchtigen, wenn bei den auf den 28. September 2008 angesetzten Parlamentswahlen Kazulin immer noch in Haft wäre.

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