piwik no script img

■ ÖkolumneKauft Bus-Anteile! Von Heiner Monheim

Es gibt einen bundesweiten Rollback in der Stadtverkehrspolitik. Allen Parteien sitzt die Angst vorm vermeintlichen Zorn des autofahrenden Wählervolks im Nacken. Doch so einfach ist es nicht. Einerseits wurde in den letzten Jahren manche lokale Mehrheit wiedergewählt, die autokritische Politik betrieben hat – zum Beispiel die rot-grüne Koalition in Aachen oder die SPD in Lübeck. Differenzierte Wahlanalysen belegen auch, daß das „Kasselsyndrom“ weit überzogen interpretiert wurde. Die dortige Kommunalwahlschlappe der SPD war bundesweit als Strafe für zu autokritische Kommunalpolitik der SPD gedeutet worden. Schließlich haben einige betont autofreundliche CDU-Mehrheiten trotz – oder sogar wegen? – ihrer Straßenprojekte die Mehrheit verloren. Ein Beispiel dafür ist Bonn. Offenbar werden Verkehrsplanungsthemen differenzierter wahrgenommen, als ideologische Schwarzweißmaler glauben.

Dennoch hat sich das „verkehrspolitische Klima“ spürbar verändert. Das „Strohfeuer“ der autokritischen Verkehrsdebatten ist nahezu wirkungslos verloschen. Diskutiert wurde viel, umgesetzt wenig. Nur ein paar Städte haben engagiert versucht, sich der Autoflut zu entziehen. Vielerorts ist der Einsatz für eine ökologische Verkehrsplanung im mühseligen Planungsalltag und unter dem argumentativen Sperrfeuer der Auto-, Wirtschafts-, Bau- und Einzelhandelslobby erlahmt. Statt dessen werden wieder alte Pläne für Entlastungsstraßen und Autotunnel rausgekramt und grün garniert. Sie dienen jetzt angeblich dem Klimaschutz und der Verkehrsberuhigung, weil sie Staus „auflösen“ und Parksuchverkehr aus den Innenstädten „absaugen“.

Es gibt mentale, finanzielle und rechtliche Blockaden gegen eine Verkehrswende. Natürlich spielt auch eine Rolle, daß die Kommunen trotz Bahnregionalisierung und neuen Nahverkehrsgesetzen allein heillos überfordert sind, das ÖPNV-Angebot zu vervierfachen, wie es nötig wäre. Hierfür ist eine viel grundlegendere Reform der Verkehrsfinanzierung und Kommunalfinanzen notwendig. Vor allem aber macht sich der Staat über die Mineralölsteuer finanziell hochgradig abhängig vom Autoverkehr als zentraler Quelle der Haushaltskonsolidierung. Das blockiert jeden ernsthaften Versuch, Autoverkehr zu verringern. Noch fördert auch das Bau- und Planungsrecht autofreundliche Kommunen und Investitionsprojekte, während die Aufgabe einer attraktiven Erschließung durch den öffentlichen Verkehr ungeregelt bleibt.

Die Verkehrspolitik hätte den Spielraum für ein ökologisches Verkehrssystem, wenn sie aufhören würde, ihr Geld primär autofixiert einzusetzen und ihr Steuersystem autofixiert zu gestalten. Keine Frage, die Vervierfachung des öffentlichen Verkehrs kostet viele Milliarden. Aber sie kostet doch deutlich weniger als eine weitere autogerechte Herrichtung von Stadt und Land. Vielleicht gehört zu einer Reform auch, daß Privatmenschen und Investoren größere Geldsummen in den öffentlichen Verkehr stecken können.

Warum sollen Leute, die bisher beim Autokauf alle paar Jahre 15.000, 30.000 oder 50.000 Mark ausgeben, nicht künftig für dieses Geld ein Stück Bus und Bahn kaufen, wenn sie dafür ein universelles, komfortables Mobilitätsangebot bekommen? Denn natürlich soll der öffentliche Verkehr einen Teil der Kaufkraft binden, die bisher dem Auto gegolten hat. Die Wirtschaft gewönne neue Aufgaben. Die Produktion moderner Busse, Straßen-, Regional- und Güterbahnen, die hierfür benötigten Fahrwege, Haltestellen, Bahnhöfe, Güterumschlaganlagen und der Bau von Tausenden von Fahrradstationen, Bike-&-Ride-Anlagen, fahrrad- und fußgängerfreundlichen Straßen und Kreuzungen ermöglicht eine Konversion der Verkehrs- und Bauindustrie – weg vom Auto. Wenn Verkehrspolitik mehr als Mängelverwaltung und Trendfestschreibung sein soll, muß sie eine andere Zukunft vorstellbar machen. Noch aber blockieren die frustrierenden Erfahrungen mit den engen politischen, rechtlichen, finanziellen und institutionellen Grenzen kreatives Denken und innovatives Handeln. Visionen sind nötig. Gerade jetzt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen