piwik no script img

Archiv-Artikel

Katerstimmung

WIEDERSEHEN Sibel Kekilli ist einer der wenigen Lichtblicke in Dieter Wedels Hochstaplersatire „Gier“ (heute und morgen, 20.15 Uhr, ARD)

„Gier“, ein 180-minütiger Zweiteiler, ist über weite Strecken vor allem eins: langweilig

VON SVEN SAKOWITZ

Eigentlich hat die Story alles, um beim Zuschauer Schadenfreude auf hohem Niveau auszulösen: Der charismatische Betrüger Dieter Glanz (Ulrich Tukur) verspricht finanzstarken Kapitalanlegern traumhafte Renditen und begeistert eine Gruppe gutgläubiger bis grenzdebiler Investoren (Harald Krassnitzer, Kai Wiesinger u. a.). Durch Hartnäckigkeit erobert sich auch der kleine Angestellte Andy Schroth (Devid Striesow) einen Platz in der exklusiven Runde. Obwohl sich die Auszahlung der angekündigten Gewinne immer wieder verzögert und Glanz vor den Steuerbehörden ins Ausland flieht, stehen seine Jünger weiter treu zu ihm – bis zum dramatischen Ende.

Das wünscht man sich als Zuschauer schon nach kurzer Zeit, denn tatsächlich ist Dieter Wedels neuer Film „Gier“, ein 180-minütiger Zweiteiler, über weite Strecken vor allem eines: langweilig. Ständig tanzen champagnertrunkene Reiche in Südafrika oder auf Mallorca in der Gegend herum, werden skeptisch, weil Glanz das Geld nicht rausrückt, lassen sich von ihm vertrösten und tanzen danach einfach weiter. Wie der Betrug funktioniert, wird nicht erzählt. Irgendwann will man das auch gar nicht mehr wissen und wundert sich nur noch über den nervtötenden Stillstand in dieser verunglückten Mischung aus Drama, Satire und Komödie.

Mehr als vier Jahre arbeitete Regisseur und Autor Wedel an „Gier“. Glücklicherweise hatte er in dieser Zeit auch ein paar gute Ideen für den an den Fall des Finanzbetrügers Jürgen Harksen angelehnten Film. So tut der schamlos zur Schau gestellte Luxus unserer kleinbürgerlichen Fernsehwelt mal gut. Und wenn Wedel sagt, er habe schon beim Schreiben an bestimmte Schauspieler gedacht, glaubt man das sofort. Das Ensemble harmoniert prächtig.

Eine besonders gute Idee war es, Sibel Kekilli zu besetzen. Die 29-Jährige spielt eine Möchtegernschauspielerin, die als Unterhaltungsdame bei Festen von Dieter Glanz die männlichen Gäste bei Laune hält, zugleich angezogen und angewidert von deren dekadentem Lebensstil.

Nachdem die Debütantin 2004 für ihre umwerfende Leistung in Fatih Akins „Gegen die Wand“ mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet worden war, wurde, es etwas still um sie. Beim Wort Comeback reagiert Kekilli allerdings gereizt. „Ich finde es schade, dass man als Schauspielerin anscheinend nicht mal pausieren darf, ohne dass man gleich abgeschrieben wird“, sagt sie. „Außerdem habe ich in den letzten Jahren viel gearbeitet. Viele meiner Filme kommen aber erst demnächst heraus.“

Sibel Kekilli gegenüberzusitzen ist irritierend. Sie ist schön, hat eine raumfüllenden Präsenz, strahlt Stärke aus und etwas positiv Divenhaftes. Gleichzeitig wirkt die kleine Frau geradezu zerbrechlich. Bei Sturm möchte man nicht mit ihr vor die Tür gehen. Aus Angst, sie weht davon.

„Ich bin sehr glücklich über meine Rolle in ‚Gier‘ “, sagt sie. „Meine Figur hat durch ihre innere Zerrissenheit eine interessante Tiefe, ist aber grundsätzlich leichter und verspielter angelegt als viele vorherige Rollen.“ Eine willkommene Abwechslung: „Natürlich schätze ich Dramen, in denen ich als Schauspielerin starke Emotionen zum Ausdruck bringen kann. Trotzdem würde ich gern mal eine richtige Komödie spielen. Ich habe aber den Eindruck, dass man mich in eine Schublade gepackt hat, mir das nicht zutraut.“

Ihre Eignung für dramatische Rollen stellt sie bald wieder unter Beweis: Im Kinofilm „Die Fremde“ sieht man Kekilli ab März als Deutschtürkin, die ihren Mann in Istanbul verlässt und mit ihrem Sohn nach Berlin zurückkehrt.

Auch bei Kekilli könnten bald die Umzugswagen vorfahren: „Ich möchte irgendwann aus Deutschland wegziehen. Nicht weil es hier so schrecklich wäre, sondern weil ich neugierig bin und vieles kennenlernen möchte. Am liebsten würde ich eine Zeit lang in London wohnen.“

Und so könnte sie schon bald wieder weg sein – aber hoffentlich nicht auch aus dem deutschen Fernsehen, jetzt, wo ihr, ähem, Comeback so vielversprechend anläuft.