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Katastrophale Wirtschaftslage in Albanien

Kaum noch Lebensmittel zu kaufen/ Viele Orte ohne Strom und Heizung/ Opposition beschuldigt Altstalinisten des Boykotts und der Bereicherung/ Regierung bezichtigt die „Ausreißer“, Warenladungen ins Meer zu kippen  ■ Aus Belgrad Roland Hofwiler

In der albanischen Hauptstadt sind viele Geschäfte seit Tagen geschlossen. Die wenigen Lebensmittel, die es gibt, werden vor langen Schlangen an Straßenständen verteilt. Doch außer Brotprodukten ist nichts zu haben. Selbst das Recht auf Frischmilch können Eltern nur in Anspruch nehmen, wenn eins ihrer Kleinkinder unter einem Jahr alt ist. Rahm, Joghurt oder Käse ist selbst auf dem Schwarzmarkt nicht mehr zu erhalten. Zwar stehen einer Familie mit vier Kindern pro Monat vier Kilogramm Zucker, je zwei Kilo Mehl, Reis, Nudeln und weiße Bohnen zu, außerdem noch ein Kilo Fleisch und 200 g Butter pro Woche; doch diese lebensnotwendigen Dinge zu ergattern ist ein unmögliches Unterfangen. Darüber hinaus ist in vielen Orten die Fernheizung abgestellt, es kommt zu Stromsperren und selbst Amtsstuben werden nicht beheizt.

Während die Opposition den Altstalinisten an der katastrophalen Wirtschaftslage die Schuld gibt, da diese die „begehrten Waren heimlich auf die Seite“ schafften oder im großen Stil die Produktion boykottierten, haben die regierenden Kommunisten einen neuen Sündenbock gefunden: Waren es vor ein paar Wochen noch sogenannte „Hooligans“ und „finstere Elemente“, die aus Haß gegen „Staat und Volk“ gewaltsame Sabotageakte unternahmen, sind es jetzt die „Ausreißer“ in den Hafenstädten. Laut Radio Tirana haben viele Schiffskaperer die Fracht auf den Kuttern und Frachtschiffen bei ihrer Überfahrt nach Italien gleich mitgenommen. Doch viel schlimmer sei, daß in den letzten Tagen „Hooligans“ ganze Ladungen in den Häfen Durres und Vlore einfach ins Meer kippten. Das staatliche Fernsehen zeigte Bilder, auf denen z. B. der rumänische Frachter „Alba“ gezeigt wird, dessen Ladung von 3.000 t Zucker „spurlos“ in der Hafengegend verschwunden sein soll. Oder das Schiff „Danzig“, das unter dänischer Flagge in Durres anlegen wollte, doch beim Anblick der Tumulte wieder kehrtmachte — ohne seine Ladung an Fleisch und Gemüse zu löschen.

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