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Kassen betteln für Krankenhäuser

■ Krankenkassen treiben jetzt bei Versicherten ein Notopfer in Höhe von 20 Mark für marode Krankenhäuser ein / Der Haken: Die Versicherten müssen das Geld nicht unbedingt sofort zahlen

Neben Spendenaufrufen zur Vorweihnachtszeit flattert den BremerInnen jetzt noch andere Post ins Haus: Ein Bettelbrief der Krankenkassen. Mitglieder sollen ein „Notopfer“in Höhe von 20 Mark zahlen, um marode Krankenhäuser zu sanieren. Die Folge der ersten Briefe: Bei der Bremer Handelskrankenkasse (hkk) gingen in den ersten vier Tagen über 1.200 Anrufe ein. Außerdem macht die Bremer „Komba-Gewerkschaft“mobil, die Arbeiter, Angestellte und Beamte im öffentlichen Dienst vertritt: Sie fordert ihre Mitglieder auf, in einem Musterprozeß gegen das Notopfer zu klagen.

„Viele Leute wissen gar nicht Bescheid“, klagt Manfred Müller, Vorstandsvorsitzender der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) in Bremen. Oder sie wollen nicht zahlen: „Wir haben schon erste Widersprüche bekommen“, berichtet Manfred Strobach, Geschäftsführer der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) in Bremen. Die Versicherten wollten nicht wieder – ganz ohne Arbeitgeberanteil – in die eigene Tasche greifen. „Wo ist da das Ende, wenn die Leute immer weiter zuzahlen müssen“, kritisiert die grüne Gesundheitspolitikerin Christine Bernbacher.

Das Notopfer war im letzten Jahr vom Bonner Kabinett beschlossen worden – weil das Bundesverwaltungsgericht in Münster die einzelnen Bundesländer von ihrer bislang geltenden Instandhaltungspflicht für Krankenhäuser befreit hatte. Seit dem Urteil aus dem Jahr 1993 zahlt nur noch das Bundesland Bayern für die Instandhaltung – die anderen Länder, auch Bremen, gar nicht mehr. „Für das Krankenhaus zahlen die Krankenkassen. Sie müssen deshalb auch für die Instandhaltung zahlen. Die Stadt ist quasi nur der Vermieter“, erklärt Sozialressort-Sprecher Holger Bruns den Zahlungsstopp.

Im Land Bremen bringt das Notopfer elf Millionen Mark pro Jahr ein, die auf die elf Krankenhäuser verteilt werden. So darf sich zum Beispiel das 1869 erbaute Krankenhaus St. Joseph-Stift in diesem Jahr über 700.000 Mark freuen. Jetzt kann Verwaltungsdirektor Jürgen Scholz die über 35 Jahre alte Heizung modernisieren, und später in Fenstern Doppelscheiben einsetzen, sowie Dächer und Fassaden sanieren lassen. „Wir brauchen das Geld, weil wir drei Jahre gar nichts bekamen“, so Scholz.

Bei dem in den Krankenhäusern längst verplanten Notopfer gibt es aber einen Haken: Versicherte brauchen die 20 Mark im ersten und zweiten Jahr eigentlich gar nicht zu bezahlen: Der Gerichtsvollzieher darf nämlich erst ab einer geforderten Summe von 60 Mark anrücken. Und die wird erst im dritten Jahr fällig. Erst dann werden die Kassen das Geld eintreiben, kündigten sie gestern gegenüber der taz an.

Widerstand droht den Kassen aber auch von den Gewerkschaften. „Privatversicherte müssen das Notopfer erst bei Krankenhauseinweisung zahlen, die anderen schon vorher. Das ist ungerecht“, kritisiert Lothar Rühl, Vorsitzender der Bremer Komba-Gewerkschaft. Die Komba strebt deshalb eine Musterklage für alle Versicherten bis zum Bundesverfassungsgericht an. Darauf hat bislang nur die AOK reagiert: Sie will die 20 Mark bei einem positiven Klageweg sofort zurückzuzahlen. „Damit sparen wir Verwaltungsaufwand“, sagt Manfred Müller von der AOK. Schließlich kostet schon die erste Zahlungsaufforderung zwei bis vier Mark, ebenso teuer wären auch Mahnbriefe in den kommenden drei Jahren. Katja Ubben

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