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Karriere statt Kinder

Gender Was Frauen heute wollen: eigenes Geld, einen tollen Job, nicht in jedem Fall Mutter sein

BERLIN taz | Frauen wollen finanziell unabhängig sein. Weiß die Brigitte. Der Satz klingt wie eine Selbstverständlichkeit, in Zeiten feministischer Aufbrüche und Gleichstellung auf vielen Ebenen.

Tatsächlich ist das Ergebnis einer Studie, die die Frauenzeitschrift im Frühjahr dieses Jahres durchführte, eine kleine Revolution: Für 94 Prozent der befragten Frauen ist es wichtiger, eigenes Geld zu haben als Familie und Kinder. Sind Frauen jetzt auf dem Männerklischeetrip: Her mit Status und Knete, und die Welt ist in Ordnung?

So schlicht ist es nicht. Vielmehr haben Frauen verstanden, dass sie sich um sich selbst kümmern müssen, sagt Christiane Funken, Professorin für Medien- und Geschlechtersoziologie an der TU Berlin. Denn niemand sonst tut es, wenn es darauf ankommt. Die Fakten dahinter sind bekannt: Jede dritte Ehe wird geschieden. Sich also darauf zu verlassen, dass ein Mann das Leben absichert, könnte in einem sozialen Desaster enden.

Und: Arbeitsbiografien können brüchig sein. Auf dem Arbeitsmarkt erfahren Frauen vielfach keine Wertschätzung: schlechte Bezahlung, gesellschaftlich gering geschätzte Berufe in Pflege, Bildung und Dienstleistungssektor, Teilzeit und Minijobs, geringere Aufstiegschancen als Männer.

Durch den Perfektionsanspruch und die Anforderungen, die die Gesellschaft, sie selbst und andere Menschen in ihrem Umfeld an Frauen stellen, fühlen sie sich heute stärker als früher unter Druck. Das führe dazu, hat Brigitte erfahren, dass sie erst ihr Leben finanziell und sozial absichern wollen, bevor sie Mutter werden. Das sei das Ende des „Muttermythos“, sagt Funken.

Die veränderten gesellschaftlichen Umstände ändern auch den Anspruch an weibliche Karrieren. 79 Prozent der Frauen streben einen beruflichen Aufstieg, zumindest berufliche Mobilität an. Bei den Männern sind das 73 Prozent. „Die Geschlechterverhältnisse haben sich angeglichen“, beschreibt Funken die Entwicklung. Der Job ist vor allem für hochqualifizierte als auch für bildungsfernere Frauen besonders wichtig: für die aus „Sinnhaftigkeit“, für die anderen als Existenzsicherung.

Frauen im Alter zwischen 40 und 49 Jahren sind beruflich stark frustriert. Zumindest jene, die wegen der Familie jahrelang Teilzeit gearbeitet haben. Jetzt, da die Kinder groß sind, würden sie gern mehr arbeiten. Aber das Rückkehrrecht auf Vollzeit wurde von der letzten Koalition abgebügelt.

Was folgt aus den Erkenntnissen? Der Anspruch an das Zusammenspiel von Familie und Beruf, auf die viel gerühmte Work-Life-Balance, ist ein „stabiler Faktor“, wie Funken das nennt. Das trifft sowohl auf Frauen als auch auf Männer zu. Funken sagt: „Die Arbeitswelt muss sich dem anpassen.“

Simone Schmollack

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