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Karamanlis soll der Nea Demokratia aus dem Schlamassel helfen

Graue Eminenz der griechischen Rechten wurde gestern zum Staatspräsidenten gewählt  ■  P O R T R A I T

Aus Athen Robert Stadler

Als Konrad Adenauer noch Kanzler der Bundesrepublik Deutschland war, bestimmte der Mazedonier Konstantinos Karamanlis bereits als Ministerpräsident die griechische Politik. Jetzt schwingt er, mit 83 Jahren, als Staatsoberhaupt erneut das Zepter. Gestern wählten ihn 153 der 300 Abgeordneten im griechischen Parlament für die Dauer von fünf Jahren zum Staatspräsidenten. Beim ersten Wahlgang am vergangenen Montag hatte er die nötige Dreifünftel -Mehrheit verfehlt. Doch ein Platz im politischen Götterhimmel Griechenlands war Karamanlis wegen seiner bisherigen Laufbahn schon vor der Wahl ins höchste Staatsamt sicher: Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs wandelte er durch sechs verschiedene Ministerämter und stand insgesamt 14 Jahre lang an der Spitze von sieben Regierungen.

Drohte dem „Theos“ - dem Gott, wie ihn griechische Medien titulieren - eine Niederlage, entzog er sich ihr elegant. Um dem Absturz in die Opposition zu entgehen, hievte er sich bereits 1980 auf den Stuhl des Staatspräsidenten und auch bei seiner jetzigen Kandidatur gab Karamanlis den Bitten der Nea Demokratia erst nach, als seine Wahl als gesichert galt. Wegen der hauchdünnen Mehrheit, über die die Konservativen im Parlament verfügen, kommt ihnen ein Karamanlis als Präsident wie gerufen.

Allein der frischgebackene Ministerpräsident Konstantinos Mitsotakis betrachtet die Rückkehr des alten Mannes mit Argwohn. Mitsotakis galt dem Parteigründer Karamanlis nie als Garant dafür, in seinem Sinne Politik zu betreiben. Der zur Schau gestellten Einigkeit zwischen den beiden haftete immer Formelles an. Es sieht ganz danach aus, als sollte der neue Staatspräsident eine Brückenfunktion zwischen den oppositionellen PaSoK-Sozialisten und der regierenden Nea Demokratia einnehmen. Ex-Premier Papandreou reagierte bereits wohlwollend auf die Wahl.

Bei der konservativen Wählerschaft war der neue Staatspräsident als heilige Instanz nie umstritten. Den Ehrentitel „Führer der Nation“ verdiente sich Kara manlis jedoch vornehmlich nach 1974. Als die über die Zypernkrise ratlos gewordenen Obristen Karamanlis aus seinem Pariser Exil als „Retter in der Not“ zurückriefen, gewährleistete er mit 54 Prozent der Wähler im Rücken einen reibungslosen Übergang zur parlamentarischen Demokratie. Die Kommunistische Partei Griechenlands wurde unter seine Ägide legalisiert und aus der Armee, der Polizei, der Gendarmerie und der Verwaltung eine Vielzahl jener Leute entlassen, die sich unter dem Obristenregime kompromittiert hatten.

Seit damals wird Karamanlis über seine politische Klientel hinaus als Eminenz der griechischen Demokratie gehandelt. Während seiner Regierungszeit vor der Militärdiktatur, in den Jahren 1956 bis 1963, bewegte sich Karamanlis noch in äußerst irdischen Bahnen. Den Wahlsieg von 1961 erkämpfte er mit massiver Wahlmanipulation vor allem auf dem Lande. Die staatlichen Organe unterdrückten die Opposition und nicht -staatliche Machtzentren der Rechten trieben unkontrolliert ihr Unwesen.

Aus Paris, das er nach einer Auseinandersetzung mit dem griechischen König seit 1963 als freiwilliges Exil auserwählte, meinte Karamanlis rückblickend auf seine Regierungsjahre trocken: „Nur dreimal wurde Griechenland während seiner Geschichte demokratisch regiert: unter Trikoupis im 19. Jahrhundert, unter Venizelos zwischen 1910 und 1915 und während meiner Amtszeit.“ An Selbstbewußtsein hat es ihm nie gemangelt. Es wandelt sich jedoch nicht selten zu selbstgefälliger Überheblichkeit. Seine lauwarme Erklärung auf den Militärputsch von 1967 beginnt mit: „I c h habe diese Entwicklungen vorausgesehen.“ Die Schuld für das Ende der Demokratie schiebt er ausschließlich seinen politischen Gegnern in die Schuhe: der Zentrumsunion unter Giorgios Papandreou, mit der gerade eine spürbare Liberalisierung in Griechenland in Gang gesetzt worden war.

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