: Kanzlerarchitektur für Geschichtsmuseum
■ Bundeskanzler Kohl vergab den Auftrag für das Historische Museum ohne Wettbewerb an den US-Stararchitekten Pei
Wenn der Bundeskanzler über Architektur entscheidet, hat sein Wort Gesetzeskraft. Im Falle des lange Zeit auf Eis gelegten Erweiterungsbaus des Deutschen Historischen Museums (DHM) hat sich Helmut Kohl für den aus China stammenden US-Stararchitekten Ioeh Ming Pei entschieden. Einen Architektenwettbewerb für den Neubau hinter dem Zeughaus wird es nicht geben. Auch der Entwurf ist noch nicht bekannt. Ein erstes Modell will Pei, der für den verstorbenen französischen Staatspräsidenten François Mitterrand die gläserne pyramidenförmige Eingangshalle des Pariser Louvre entworfen hat, frühestens Anfang des kommenden Jahres vorlegen.
Gegenüber der taz verteidigte gestern der Direktor des DHM, Christoph Stölzl, das ungewöhnliche Vorgehen. „Beim Vorliegen glücklicher Umstände und Zufallsbegegnungen, die keinen Zweifel lassen“, sagte Stölzl, „kann es auch einmal anders gehen.“ Anders – das heißt für Stölzl in diesem Zusammenhang auch, daß es „richtig“ sei, sich zuerst über den Architekten und dann erst über die Architektur zu verständigen.
Die Entscheidung zugunsten des 79jährigen Pei, der mit dem Museumsbau sein erstes Gebäude in Deutschland bauen würde, war laut Stölzl auch die Voraussetzung dafür, daß der Haushaltsausschuß des Bundestags Ende Juni die Mittel für den Erweiterungsbau — deutlich abgespeckt allerdings – freigab. Statt der ursprünglich vorgesehenen 470 Millionen Mark darf das DHM nun inklusive des Neubaus 140 Millionen verbauen. Die vorgesehene Entkernung des Zeughauses, von Denkmalschützern als Versuch, die DDR unsichtbar zu machen, kritisiert, ist damit vom Tisch.
Zwar fragt sich der Bonner SPD-Baupolitiker Peter Conradi, ob die Entscheidung für Pei dem EU-Wettbewerbsrecht entspreche. Proteste gegen das Kanzlervotum gibt es allerdings kaum. Selbst der Vorsitzende des Wettbewerbsausschusses der Architektenkammer, Jam C. Bassenge, beklagt als Standesvertreter zwar den fehlenden Wettbewerb, bekannte aber auch, daß sich Berlin auf Pei freuen könne.
Ähnlich äußert sich auch der Bürgermeister von Mitte, Joachim Zeller (CDU). Es sei gut, wenn der Teufelskreis der Architektenwettbewerbe, bei denen immer dasselbe herauskomme, endlich einmal durchbrochen werde. Wenngleich dies mit einer etwas imperialen Geste geschehe, so Zeller mit ironischem Unterton.
Auch Museumsdirektor Stölzl versuchte gestern, möglichen Kritikern unter Hinweis auf das einzigartige Renommee des Architekten, der neben der Bank of China in Hongkong auch den Neubau der Nationalgalerie in Washington baute, von vornherein den Wind aus den Segeln zu nehmen. „Das Votum für Pei war keine Freihandentscheidung ohne Wettbewerb“, sagte Stölzl, „sondern ein langjähriger Wettbewerb um Herrn Pei, der mit großer Vorsicht und Diskretion vonstatten ging.“ Der Urheber dieses diskreten Ringens um eine „sensationelle Architektur, wie sie im Wettbewerbsverfahren nicht vorgesehen ist“ (Stölzl), war der konservative Berliner Publizist und Verleger Wolf Jobst Siedler. Siedler brachte Pei im vergangenen Herbst ein um das andere Mal mit Helmut Kohl zusammen. Woraufhin der Schüler von Mies van der Rohe und Marcel Breuer zum ersten Mal den Wunsch geäußert haben soll, im Lande Schinkels und Scharouns zu bauen. Im April sagte der Umworbene definitiv zu.
Was Pei letzten Endes tatsächlich baut, ist alleine sein Geheimnis. Laut Stölzl wird sich der Architekt ab August zunächst „in kleinen Schritten“ dem Thema nähern. Erst danach soll Anfang 1997 die Öffentlichkeit über die Planung informiert werden. Stölzl jedenfalls zeigte sich zuversichtlich, daß die Berliner das Ergebnis goutieren: „In Paris mußte Pei heftige Kritik über sich ergehen lassen, am Ende wurde er auf den Champs Elysées nicht angerempelt, sondern umarmt.“ Uwe Rada
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