: Kanzler-U-Bahn säuft ab
BVG kann U-Bahnhof am Brandenburger Tor doch nicht zur WM öffnen, weil Grundwasser Baugrube flutet. Verkehrssenatorin ist sauer. Fahrgastverband dankt Wasser: Frühstart sei unnütz und teuer
VON ULRICH SCHULTE
Die pünktliche Eröffnung des U-Bahnhofs Brandenburger Tor zur Fußball-WM 2006 fällt ins Wasser. Die Verkehrsbetriebe wollen den Bahnhof mit dem prominenten Namen jetzt erst Mitte 2007 in Betrieb nehmen, statt ihn bereits im Juni nächsten Jahres provisorisch zu öffnen. „Es dringt mehr Grundwasser in die Baugrube als berechnet“, sagt BVG-Sprecherin Petra Reetz gestern. Deshalb müsse die Firma, die die Ausschachtung übernommen habe, langsamer graben und mit mehr Beton abdichten.
Mit dem Eingeständnis der BVG ist die Geschichte der Kanzler-U-Bahn U 55 um ein Kuriosum reicher – und der geplante WM-Pendelverkehr zwischen Brandenburger Tor und Hauptbahnhof fällt flach. Stattdessen sollen während der Weltmeisterschaft Züge im Shuttleverkehr nur zwischen Hauptbahnhof und Reichstag fahren, so Reetz. Die Linie fährt demnach exakt eine Station und muss dann wider umkehren.
Die neuerliche Panne ergänzt jahrelange Verzögerungen des teuren Renommierprojekts, dessen Nutzen unter Verkehrsfachleuten wegen parallel fahrender S-Bahn- und Buslinien umstritten ist. Entsprechend genervt klingt das „außerordentliche Bedauern“ der Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD): „Ich hoffe, dass die Baufirma die Probleme schnell lösen wird.“ Eventuell anfallende höhere Baukosten würden nicht vom Land getragen. Dazu sei die Firma Hochtief per Vertrag verpflichtet. Dort wollte sich niemand äußern.
Unter Berlins schickstem Platz ist einiges schief gegangen: Im Moment heben Bagger die 19 Meter tiefe Grube aus. Zuvor wurden ringsum Betonwände in die Erde gerammt, um das Grundwasser abzuhalten. Eine erste Bodenplatte hat sich jetzt als löchriger als geplant erwiesen. Die Folge: „Die Firma muss langsamer graben, weil die Erde in der Grube abdichtend wirkt“, sagt Reetz. Um zu verhindern, dass das Hotel Adlon oder das Brandenburger Tor kippeln, wollen Bauplaner die Flut eindämmen: mit „Betoninjektionen“, die abdichten, mit verstärkten Grubenwänden und mit Pumpen, die mehr Nass absaugen.
Während die Senatorin dies alles „enttäuschend“ findet, sagt der Fahrgastverband Igeb Ja zum deutschen Wasser. „Es ist doch gut, dass höhere Gewalt einen so teuren wie provisorischen Frühstart verhindert“, sagt der Vorsitzende Christfried Tschepe. Eine vorübergehende Inbetriebnahme zur WM wäre mehrere zehntausend Euro teurer gewesen – durch Änderungen an der Baustelle und den Einsatz von mehr Personal. CDU-Verkehrsexperte Alexander Kaczmarek hält die Verspätung für einen „schlechten Scherz“. Er plädiert für einen zügigen Weiterbau der „einer Hauptstadt unwürdigen“ Stummelbahn. „Auf zweifelhafte Zwischenlösungen sollte Berlin verzichten und stattdessen die wichtige Cityverbindung U 5 bis zum Alex herstellen.“ Die grüne Verkehrsfachfrau Claudia Hämmerling bezeichnet den Werdegang der U 55 als „Tod auf Raten“. „Aus wirtschaftlichen Gründen ist es sinnvoll, auf den Weiterbau zum Alexanderplatz für 400 Millionen Euro zu verzichten.“
Trotz des Wassereinbruchs will die BVG ein Versprechen halten: Die Baustelle vor dem Brandenburger Tor werde pünktlich zur WM abgedeckt, die Fläche sei somit nutzbar, sagt Sprecherin Reetz. „Wir räumen den Pariser Platz.“