: Kanada vor der Spaltung: „Vive le Quebec libre!“
■ Manitoba und Neufundland verhindern die Ratifizierung des Meech-Lake-Abkommens, in dem Quebec einen Sonderstatus innerhalb Kanadas erhalten sollte / Quebec für Unabhängigkeit
Ottawa (dpa/taz) - „Das Verfassungsabkommen ist tot. Lang lebe ein souveränes Quebec!“ Mit diesen Worten reagierte Jacques Parizeau, Chef der separatistischen „Parti Quebecois“, auf die Nachricht, daß das heftig umstrittene Meech-Lake-Abkommen (s. taz vom Freitag) endgültig gescheitert war.
Bis Samstag Mitternacht mußte das Abkommen von allen zehn kanadischen Provinzen ratifiziert werden, um in Kraft zu treten. Durch die hartnäckige Weigerung der Provinzen Manitoba und Neufundland ist diese Frist nun überschritten worden. In Manitoba, wo das Gesetz öffentliche Anhörungen vor der Ratifizierung eines solchen Dokuments vorsieht, hatte der Indianerführer Elijah Harper 3.500 Anhänger mobilisiert, die alle Redeanträge stellten, und damit die Parlamentsdebatte blockiert. Als feststand, daß Manitoba die Frist nicht erfüllen konnte, vertagte auch der Premier von Neufundland die Ratifizierungsdebatte in seiner Provinz. Ein letzter Versuch der Bundesregierung, die Frist für die Ratifizierung des Abkomens durch den Obersten Gerichtshof verlängern zu lassen, war zuvor gescheitert.
Quebec reagierte prompt auf das Scheitern des Abkommens. „Das englischsprachige Kanada muß verstehen, daß Quebec nun und für immer eine freie und eigenständige Gemeinschaft ist“, erklärte Premier Robert Bourassa vor der Abgeordnetenversammlung seiner Provinz. Bourassa, der das Verfassungsabkommen unterstützt hatte, sieht sich nun einer erstarkten separatistischen Opposition seitens der „Parti Quebecois“ gegenüber, die das Verhalten der Anglo-Kanadier als Kampfansage betrachtet.
Was in und mit Quebec jetzt passieren wird, wagte bisher keiner vorherzusagen. Die Opposition auf Bundesebene schießt sich jetzt schon auf Kanadas Ministerpräsident Mulroney an. Jean Chretien, der selber aus Quebec stammt und am Wochenende zum neuen Vorsitzenden der oppositionellen Liberalen gewählt wurde, sagte seiner Partei: „Mulroney hat uns an den Rand des Desasters geführt.“ Chretien ist entschiedener Gegner des Meech-Lake-Abkommens und setzte sich mit dieser Position gegen seine innerparteilichen Widersacher durch. Die ebenfalls oppositionellen Sozialdemokraten verlangten sogar den Rücktritt Mulroneys. Auch in der Partei des Ministerpräsidenten, den Konservativen, gärt es. Zahlreiche Parlamentarier hatten mit dem Parteiaustritt gedroht, sollte das Verfassungsabkommen scheitern.
Mulroney sucht unterdessen vor allem das Ausland zu beruhigen. In einer „Ansprache an die Nation“ am Samstag meinte er, diese Krise würde überwunden werden, und die kanadische Wirtschaft werde stark bleiben. Einen möglichen Rücktritt erwähnte er nicht. „Dies ist keine Regierung von Drückebergern.“
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